Dokufilm über Energiesparlampen: Gift ist im Licht
Christoph Mayrs „Bulb Fiction“ fragt nach Sinn und Unsinn von Energiesparlampen. Der Regisseur versucht einer Verschwörung auf die Spur zu kommen, die nie geheim war.
Glühlampen stehen in Supermärkten oft ganz nah an der Kasse, neben Kaugummis und anderem Kleinkram. Sie zählen zu den Waren des täglichen Bedarfs, von denen wir nie genau wissen, wann wir sie brauchen.
Wer kann schon sagen, wann demnächst wieder einmal eine „durchbrennen“ wird? Dann ist es gut, wenn schon eine neue im Haus ist. Also legen wir gelegentlich ein paar in den Wagen, wenn wir an der Kasse stehen. So war das zumindest bis vor einigen Jahren.
Doch die Sache ist zuletzt ein wenig komplizierter geworden. Energiesparlampen leuchten nicht nur anders, sie sind nun auch als Sondermüll zu werten. Denn sie sind im strengen Sinn keine Glühlampen mehr, sondern Leuchtstoffröhren, in denen sich Quecksilber befindet, ein starkes Gift. Die Glühlampen, die wir kannten, sind inzwischen verboten. Die EU will auf diese Weise die klimarelevanten Emissionen reduzieren. Doch die entsprechende Verordnung ist weniger sinnvoll, als es den Anschein haben soll.
Christoph Mayr recherchiert in seinem Dokumentarfilm „Bulb Fiction“ noch einmal den ganzen Komplex, der mit diesem so trivial wirkenden Produkt zusammenhängt. Er nimmt dabei seinen Ausgangspunkt von einem häuslichen Vorfall. Eine Energiesparlampe zerbricht bei laufendem Betrieb, ein kleiner Junge wird mit Quecksilber vergiftet, wenige Wochen später hat er keine Haare mehr und sieht aus wie ein Klischeebild eines atomar verseuchten Krebspatienten.
Dieser „human angle“, der einen Einstieg über identifizierende Betroffenheit sucht, ist vielleicht das schwächste Moment in einem ansonsten umfassend informierenden und plausibel argumentierenden Film.
Kleinheizgeräte aus China
Mayr hat keine Mittel und Wege gescheut, ist in alle möglichen Weltgegenden gereist und hat Experten aller Fachrichtungen gesprochen, um einer Verschwörung auf die Spur zu kommen, die nie geheim war. Im Gegenteil ist das, wovon „Bulb Fiction“ berichtet, weitgehend bekannt, auch in der taz wurde umfassend darüber geschrieben, zum Beispiel von Helmut Höge, den Mayr auch interviewt.
Die Leistung von Mayrs Film ist also vor allem eine der Synthese, der involvierenden Zusammenschau. Er stellt die entscheidende Annahme der EU in Frage, dass das Verbot der herkömmlichen Glühbirne durch die EU als „nicht konformes Erzeugnis“ tatsächlich in ausreichendem Maß Emissionen spart (eine Position, die sich übrigens auch Greenpeace zu eigen machte).
Hier gelingt Mayr eine der besten Szenen seines Films. Bei einem Interview mit der Sprecherin des aktuellen Energiekommissars Oettinger lässt er auch ein paar „Outtakes“ sehen, ein großartig verräterisches Stück politischer Kommunikation. Im Detail wird es auch auf „Bulb Fiction“ kontroverse Reaktionen geben können, schließlich geht es hier um komplizierte Gegenrechnungen wie das sogenannten „Quecksilber-Paradoxon“ (das auch den Unterschied in sich begreift, den es macht, ob das Gift im Wohnzimmer oder aus einem Schlot entweicht).
Aber insgesamt ist es doch überzeugend, zu sehen, wie hier gesunder Hausverstand gegenüber der Lobbyarbeit von Konzernen (Mayr ist schärfer, er spricht von einem „Kartell“) und der bürokratischen Irrationalität der EU-Kommission vorläufig das Nachsehen hat.
Doch „Bulb Fiction“ zeigt auch, wie kreativ der Widerstand ist. Längst sind Leute dazu übergegangen, Glühbirnen aus China zu importieren, offiziell als „Kleinheizgeräte“, denn der „fehlende Energieeintrag der Glühbirne“ fehlt nämlich in der kleinen Klimabilanz der Haushalte und schlägt sich bei den Heizkosten nieder. Notfalls werden die „Heizbälle“ auch als Kunst deklariert. Protestkunst, die sich jeder leisten könnte.
„Bulb Fiction“. Regie: Christoph Mayr. Dokumentarfilm, Österreich/ Deutschland 2011, 90 Min.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Haftbefehl gegen Netanjahu
Sollte die deutsche Polizei Netanjahu verhaften?
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Stellenabbau bei Thyssenkrupp
Auf dem Rücken der Beschäftigten
Deutscher Arbeitsmarkt
Zuwanderung ist unausweichlich
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag