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Doku zum WeltfrauentagKleiner Schwanz ganz groß

Hinter der Klischeefassade der Doku „Die Herrschaft der Männer“ zieht der Regisseur das resignative Fazit: Bildet euch bloß nicht ein, liebe Frauen, dass ihr es geschafft hättet.

Nicht viel mehr als ein kleiner Penis: Der Mann Bild: .marqs / photocase.com

Am Anfang steht ein Penis. Wie groß er ist, das kann man nicht sehen, doch man ahnt: eher klein. Schließlich kniet ein Schönheitschirurg vor dem Mann, zu dem der Penis gehört. Wenig später sehen wir, wie der Penis vergrößert wird, in Nahaufnahme, quälend lang. Jede Sekunde schreit: Das hier ist der Mittelpunkt des Films, ach was, des Universums.

Als der Spuk vorbei ist, lächelt der Mann in die Kamera und sagt: „Ein paar Zentimeter können dein Leben verändern.“ Im Fernseher, der über ihm hängt, tanzen quasinackte Frauen mit aufgepumpten Brüsten um ein paar HipHop-Stars herum. Wenn der Verband erst einmal weg ist, so scheint der Mann zu denken, werden sie auch um ihn herumtanzen.

Die erste Hälfte von Patric Jeans Dokumentarfilm „Die Herrschaft der Männer“ gibt sich oberflächlich betrachtet als ironisch-komische Ouvertüre für einen zweiten Teil, der nur noch aus Gewalt, Hass und Schmerz besteht. Sie bedient Klischees: Frauen, die beim Speeddating als maßgebliche Qualität das Backen angeben, Kinder, deren Mütter putzen und Väter hart arbeiten.

Kleine Mädchen werden als unterwürfig, sensibel, beschützenswert dargestellt. Kleine Jungs haben einen eigenen Willen, sind aufbrausend, stark, überlegen. Dazu gibt es Kamerafahrten durch Spielzeugregale: Autos, Technik, Wissenschaft hier, Bügeln, Putzen, Waschen dort. Ein Verkäufer sagt: „Mädchen ahmen das Leben ihrer Mütter nach, Jungs wollen sich neue Welten erschaffen.“

Oben der Mann, unten die Frau

Patric Jeans Bilder fragen unablässig: Wie nur sollen sich Herrschaftsverhältnisse je ändern, wenn sie schon in die Köpfe der Kleinsten implementiert werden? Hinter der putzigen Klischeefassade zieht der Regisseur das resignative Fazit: Bildet euch bloß nicht ein, liebe Frauen, dass ihr es geschafft hättet. Auch nach rund 150 Jahren Kampf für den Feminismus ist es leider so: hier oben der Mann, als Herrscher, dort unten die Frau, als Beherrschte. Es ist kein Zynismus, Jean bezeichnet sich ja selbst als Feministen. Er lässt seine Bilder stellvertretend für ihn leiden.

Jean wechselt den Ort, von Frankreich nach Kanada. Es ist der 6. Dezember 1989. Ein Mann dringt in Montreal in einen Hörsaal ein, zieht eine Waffe und wirft die Männer raus. Dann beginnt seine Jagd. 14 Frauen sterben, fast noch einmal so viele werden schwer verletzt, dann tötet er sich selbst. In einem Brief finden die Ermittler später das Motiv: unerbittlicher Hass auf Frauen, die in seinen Augen den Platz der Männer in der Gesellschaft eingenommen haben.

Ausgehend von diesem Extremfall, spürt Patric Jean vielfältigen Formen von Frauenfeindlichkeit nach. Er trifft unverbesserliche Machos und eiserne Emanzen, vor allem aber zeigt er schreckliche Bilder. Nahaufnahmen von Frauengesichtern, die nach Prügeln bis zur Unkenntlichkeit geschwollen sind, aufgeschlitzte Torsi, tote Frauen in Blutlachen. Es ist ein Graus.

Starke und effekthascherische Szenen

Jean ist ein puristischer Dokumentarfilmer, er enthält sich jeglichen textlichen Kommentars, es gibt keine Bauchbinden, kaum Musikeinsatz. Doch fehlt der Bilderflut eine ordnende Hand, der Film mäandert einfach vor sich hin. Und so stark die Szenen auch sind, so effekthascherisch sind sie zugleich. Manchmal machen eben leisere Töne die schönere Melodie.

Den ganzen Film über dienen Darstellungen von Penissen als Trenner für die jeweiligen Kapitel. Der Regisseur klebt sie selbst auf, Phallussymbole, historische Bilder von Riesenschwänzen, so was. Am Ende hängt die ganze Wand voller Penisse. Denkt man jedenfalls.

Dann nämlich zoomt die Kamera raus, ringsherum tauchen auf einer Fläche von zehn mal vier Metern riesengroße Frauenposter auf. Diese Collage ist Patric Jeans abschließender Kommentar: Auch wenn er glaubt, in der Mitte des Universums zu stehen, so ist der Mann doch nicht viel mehr als ein kleiner Penis.

„Die Herrschaft der Männer“, Mittwoch, 6. März, 20.15 Uhr, Arte

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13 Kommentare

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  • SB
    Siegfried Bosch

    Wird in diesem Film eigentlich auch erwähnt, dass Männer auch wegen größerer Investitionen von staatlicher Seite in die Gesundheit von Frauen Frauen länger leben als Männer? Dass Männer, die von ihren Frauen geschlagen werden, keinerlei Rückzugsmöglichkeiten haben? Dass Frauen bei gleichen Verbrechen weniger lange Haftstrafen bekommen? Dass Frauen heutzutage weltweit die Mehrheit in der tertiären Bildung stellen? Dass Männer als Gewalttäter stigmatisiert werden? (Natürlich wird das nicht erwähnt, schließlich beteiligt sich der Film an dieser Stigmatisierung.)

  • K
    kamy

    @aibelle: ob Helga tatsächlich Helga ist oder doch eher Helge, ist noch die Frage.

     

    Aber nun zur angesprochenen Doku: Ich fand den Film viel besser, als er hier rezensiert wird. Die geschilderten Klischees wurden durchaus als Problem geschildert. Es wurde nämlich genau jener Teufelskreis geschildert, der klar macht, dass wir erst am Anfang einer Entwicklung stehen und noch einen weiten Weg in Richtung Gleichberechtigung zu gehen haben.

    Der Teufelskreis besteht darin, dass die Kinder in eine Welt hineinerzogen werden, die klare Rollenbilder hat. Jede Generation muss diese neu überwinden, um nur ein wenig ändern zu können. Es ist noch ein weiter Weg.

    Die Gewalt und die Unterwerfung der Frauen ist Realität. Gut, dass sie gezeigt wird.

  • A
    abeillle

    @Helga: Dass ausgerechnet andere Frauen (!) den Feministinnen immer wieder an den Karren fahren wollen, wird mir stets ein Rätsel bleiben... Sie sägen sich doch den Ast ab, auf dem Sie selbst sitzen! Sie finden den Weltfrauentag also überflüssig. Daraus schließe ich, dass Ihnen die Forderung nach Gleichberechtigung von Mann und Frau auch egal ist (denn erreicht ist sie noch lange nicht). Dann würde ich doch vorschlagen, dass Sie eine Initiative zum Weltmuttertag gründen, aber vorher bitte all Ihre von FeministInnen über Jahrhunderte erkämpften Rechte wieder abgeben: Also kein Zugang zu höherer Bildung, kein Wahlrecht, kein freier Zugang zu Verhütungsmitteln, keine straflosen Schwangerschaftsabbrüche gemäß Fristenregelung, kein eigenes Bankkonto und kein Verfügungsrecht über eigenes Vermögen oder Einkommen, keine Berufstätigkeit ohne Zustimmung des Ehemanns oder Vaters. Ich bin mir sicher, dass die Mutterrolle dann wieder idealisiert würde - es bliebe den Frauen ja auch gar keine Alternative. Und zum Schluss sei auch noch dazugesagt: Frau kann auch Feministin UND Mutter sein - es geht doch nicht um Kinderfeindlichkeit (das ist nämlich auch so ein Klischee, das immer noch durch die Foren geistert), sondern schlicht und ergreifend um Gleichberechtigung.

  • W
    wrd

    Wieso? Der 6.3.2013 ist ein Mittwoch, und so schnell muss ich mir DAS ja wohl auch nicht ansehen...

  • H
    Helga

    Und jährlich grüßt das Murmeltier - echt zum Gähnen, diese Weltfrauen-Tage. Einen Weltmuttertag sollte es mal geben - aber da die meisten Frauen ja heutzutage eher nach Job schreien, anstatt mal so Abwegiges wie Leistung zu zeigen, und nur noch Verachtung für Kinder übrig haben, würde sich eh niemand mehr für die Mütter interessieren. Eine gerade für Frauen sehr negative Entwicklung, die von solchen Quoten-Monstern wie Frau Reding nur noch mehr unterdrückt werden.

  • S
    suswe

    @ tommy: Leider werden die nichtmuslimischen Frauenhasser durch diesen Hinweis nicht besser.

  • S
    sheniale

    mittwoch der 7te!

  • A
    abeillle

    Also ich fand den Film, als er im Kino lief, sehr viel besser, als es dieser Artikel hier erwarten lässt. Gerade der Besuch in der Spielwarenabteilung führt meiner Ansicht nach deutlich vor Augen, wie früh im Leben ein Kind bereits auf die eine oder andere Geschlechterrolle geeicht wird. Und das Schlimme ist doch, dass das durch Erwachsene geschieht, die meist gar nichts Böses im Sinn haben, aber einfach selbst so sehr diesen Rollenklischees verhaftet sind, dass sie sie unbewusst auch auf ihre Kinder anwenden. Umso schöner, wenn man dann die Ausnahmen sieht, sprich Jungs, die auch mit Puppen spielen dürfen oder sich einen Puppenwagen von der Freundin ausleihen, um den eigenen Teddy auch mal durch den Garten zu karren, und Mädels, die - wie ich auch - Matchboxautos und Kosmos-Elektrobaukästen bekommen. Ich bleibe überzeugt, dass Kinder mit allem gerne spielen, aber durch die Vorauswahl und Reaktion der Erwachsenen (und der vorgegebenen Rollenbilder) lernen auch sie irgendwann zu sagen "neeeee, das ist doch für Mädchen!"

  • I
    Irritiert

    Kommt der Film Mittwoch oder am 6.März?

  • P
    pensi

    und wegen solchem dummschwatz bin ich froh kein "linker" zu sein (oder sonstwas in der gesäßgeografie)...

    wieder man schön unter der gürtellinie ABER gleichzeitig oberlehrerhaft auf- und abgeklärt und runtergemacht, gell?

     

    wir sind als gesellschaft sowas von im a...

  • FP
    Freida Pinto

    Ich vermute hier stimmt was nicht. Entweder ist der Tag oder das Datum am Ende falsch.

  • M
    Mann-O-Mann

    Was fehlt:

    Ein Weltgeschlechtertag ... oder besser vielleicht noch: ein Weltgendertag.

  • T
    tommy

    "Jean wechselt den Ort, von Frankreich nach Kanada. Es ist der 6. Dezember 1989. Ein Mann dringt in Montreal in einen Hörsaal ein, zieht eine Waffe und wirft die Männer raus. Dann beginnt seine Jagd. 14 Frauen sterben, fast noch einmal so viele werden schwer verletzt, dann tötet er sich selbst. In einem Brief finden die Ermittler später das Motiv: unerbittlicher Hass auf Frauen, die in seinen Augen den Platz der Männer in der Gesellschaft eingenommen haben. "

     

    Wie zu erwarten erwähnt die taz natürlich nicht, dass der Täter in diesem Fall einen islamischen Migrationshintergrund hatte, was zur Erklärung seines extremen Frauenhasses vielleicht nicht ganz unwesentlich ist.