Doku-Soap "Teenager Außer Kontrolle": Voyeurismus in der Wüste
"Letzter Ausweg Wilder Westen": In der zweiten Staffel der Soap werden Problem-Teenies von Superpädagogen gehätschelt und von RTL beim Ausrasten gefilmt.
Die Sonne in der Wüste Oregons brennt gnadenlos. Genauso gnadenlos halten die Kameras von RTL auf die Jugendlichen, die sich mit schweren Rucksäcken beladen durch die Einöde schleppen. Sie nörgeln, sie zetern, manchmal heulen sie. Nein, ein Spaziergang ist es nicht, wenn man in der Einöde wieder gesellschaftskompatibel gemacht werden soll.
Wo RTLs Super-Nanny nichts mehr richten kann, da muss ein ganzes Pädagogenteam ran: In der zweiten Staffel der Doku-Soap "Teenager außer Kontrolle - Letzter Ausweg Wilder Westen" versucht man es mit Verhaltenstherapie in der freien Natur. In einer achtwöchigen Expedition durch die Wildnis sollen die Teenager neues Selbstwertgefühl erlangen. Und sich Gedanken über ihre Verhaltensmuster machen - die ihre Eltern immerhin dazu bewogen haben, ihre Kinder in die Wüste zu schicken.
Außer Kontrolle geraten ist bei diesen Teenagern je nach Fall der Drogenkonsum, der Drogenverkauf oder auch die Einbrecherkarriere. Bei Kandidatin Stacy war es der Hang zum Verprügeln missliebiger Personen: "Die Ex von meinem Ex hat Scheiße gelabert, da hab ich ihr den Kiefer ausgerenkt. Kann passieren, aber ich hab mich danach besser gefühlt."
Hinter starker Verhaltensauffäligkeit bei Jugendlichen steckt bisweilen, man ahnt es auch ohne Psychologiestudium, eine schwierige Vergangenheit, vielleicht auch eine komplexe Familienproblematik. Da RTL die Kunst der Verknappung beherrscht, werden aus den schwierigen Jugendlichen kurz "der Neonazi", "der Dealer" oder eben "die Schlägerbraut". DieseStereotypen waren es dann auch - und nicht etwa die Jugendlichen als Personen - die im Pilotfilm vorgestellt wurden. Angemessen inszeniertnatürlich: HipHop-Beats für "den Dealer", Böhse Onkelz für "den Neonazi".
Das Umerziehungs-Konzept der Betreuer, angeführt von Cheftherapeutin Annegret Noble, besteht im Grunde aus bewährten Zutaten: Viel Bewegung an der frischen Luft und strammes Wandern, um die renitente Bande müde zu kriegen. Wer nicht nach den Regeln spielt, wird bestraft. "Erlebnispädagogisch" wird es dabei auch für den Zuschauer, der Pädagogik hier einmal ganz anders erleben kann: Etwa wenn ein Betreuer einen ausrastenden Jugendlichen mit dem "therapeutischen Griff" auf den Boden zwingt und dort festhält, um ihn zu beruhigen. Angesichts dieser Szene fragt man sich dann doch, wieviel Bootcamp in der erziehungswirkenden Frischlufttherapie steckt.
Positiv ist, dass sich die Betreuer den Jugendlichen gegenüber bei Weitem respektvoller verhalten als es der Sender RTL tut, der sich über jeden Heulkrampf freut, den er einfangen kann. Von militärischem Gebrüll ist man weit entfernt, es herrscht ein sanfter Sozialarbeiter-Tonfall, und hat sich der Teenager nach einem Ausraster beruhigt, bekommt er Trost und Streicheleinheiten. Menschen zu brechen ist sichtlich nicht die Intention der Betreuer. Die Intention des Senders ist dagegen die immer gleiche Voyeurismusbefriedigung - wer seinen Nachwuchs also nicht gerade selbst im Wilden Westen erziehen lässt, sollte besser abschalten.
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