Doku "Deutsche Dynastien": ARD huldigt den Guttenbergs
Wahrlich kein kritischer Journalismus: Der Bayerische Rundfunk füttert den Hype um den Verteidigungsminister und seine Frau: "Deutsche Dynastien". (21.00 Uhr, ARD).
BERLIN taz | Das Beste kommt immer zum Schluss. Nach dem Wirtschaftsadel kommt der echte Adel. Nach Filmen über die Thyssens und die Oetkers kommt das Erste in seiner Reihe über "Deutsche Dynastien" heute mit der Doku: "Die Guttenbergs". Den Hype um den blaublütigen Superminister und CSU-Vorsitzenden in spe und Kanzler in spe will man keinesfalls verpassen, lieber hypt man kräftig mit. Unvergessen bleibt die gegelte Sissi-Märchen-Show, die Frank Plasberg in seiner Talkshow "Hart aber Fair" kürzlich abgezogen hat. Aber man kann ja nachlegen.
Und wer wäre dafür geeigneter als ein Journalist, der sich vor Jahren mit einem Film über "Die Päpste, die aus Bayern kamen" profiliert hat? Eckhart Querner holt erst mal ganz weit aus - die Guttenbergs "als Ordensritter und Politiker, als Intellektuelle und Widerstandskämpfer haben sie die Geschicke Deutschlands 900 Jahre mitgestaltet". Nur um sich dann, 45 Minuten sind kurz, auf drei Männer der Familie zu konzentrieren: das heutige Familienoberhaupt Enoch Freiherr von und zu Guttenberg, dessen Vater Karl Theodor Freiherr von und zu Guttenberg und den Sohn gleichen Namens. (Aus Platzgründen muss sich der Text im Fortgang auf die Vornamen beschränken, Etikette hin oder her.)
Historische Vergleiche
Ach, und dann gibt es da noch Philipp, den kleinen Bruder von Karl-Theodor jun.: "Es war natürlich grässlich - mein Bruder war meistens sehr viel besser als ich." Der Film stellt Philipp in der Bauchbinde als "Präsident Deutsche Waldbesitzerverbände" vor, so viel hat sich im Verhältnis der Brüder also nicht geändert. Der eine also Superstar - der andere also Präsident.
Karl Theodor sen. war - in der Darstellung Querners, der hier nicht widersprochen werden soll - als junger Offizier im Zweiten Weltkrieg so eine Art Stauffenberg. Danach musste er ausgerechnet Kanzler Kiesinger als Staatssekretär dienen - ein Schicksal, das die ihm eigene etwas verbissene Herrenreiterattitüde erklären mag.
Enoch ist gewissermaßen das schwarze Schaf der Familie, das Schneidige der Karl Theodors geht ihm (beinahe) völlig ab, seine Leidenschaft galt immer der Musik - dem Dirigieren. Unpolitisch ist er deshalb nicht; taz-Leser der ersten Stunde mögen ihre Freude haben an Sätzen wie: "Ich würde für den Umweltschutz meinen Beruf aufgeben. Ich halte das für das Allerwichtigste, was es im Moment an Aufgabe gibt, und zwar auch für jeden Politiker - gleichgültig, was für ein Ressort er hat."
(Ob es da bei Karl-Theodor jun. klingelt?) Filmautor Querner weiß, was für Karl-Theodor jun. wirklich wichtig ist: "Wichtig für Karl-Theodor zu Guttenberg ist, nicht den bequemsten Weg zu nehmen, sondern andere und sich selbst durch Leistung zu überzeugen." Amen. Solche Sätze kann sich Karl-Theodor jun. in den Grabstein meißeln lassen, später mal.
Wie die Heilige Familie
Bevor Exregierungssprecher Ulrich Wilhelm 2011 sein Intendantenamt antritt, macht der Bayerische Rundfunk in seinem Film über die CSU-Familie noch bzw. schon einmal unmissverständlich klar, was man dort unter Staatsferne versteht und künftig zu verstehen gedenkt. Natürlich kann ein Journalist die Pädophilentreibjagd von Freifrau Stephanie bei RTL II nicht stillschweigend übergehen: "Ihre Mitwirkung an der Fernsehserie ,Tatort Internet' war allerdings nicht unumstritten." Und? Nichts und. Querner belässt es bei dem einen Satz.
Die kritischsten Worte in seiner Doku kommen von Joachim Kaiser. Sie betreffen Enochs Qualitäten als Dirigent: "Er dirigiert Bach so, dass man manchmal das Gefühl hat, man ist beinahe im Religionsunterricht. Aber immerhin - das kommt dem Bach nahe." Bei dem Film hat man auch manchmal das Gefühl, man ist beinahe im Religionsunterricht - und die Guttenbergs sind die Heilige Familie.
"Deutsche Dynastien - die Guttenbergs" (Montag, 22.11., 21 Uhr, ARD)
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Sport und Krieg in der Ukraine
Helden am Ball
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Das Weihnachten danach
Nachhaltige Elektronik
Ein blauer Engel für die faire Maus
Studie zu Zweitem Weltkrieg
„Die Deutschen sind nackt und sie schreien“