berliner szenen: Doch, es gibt sie, diese Momente
Seit Wochen streikt meine Freundin. Viel zu heiß für Sport, meint sie. Wenn es weniger als 25 Grad sind, darf ich bei ihr wieder anfragen. Also gehe ich auch am Samstagnachmittag allein zum Sportstudio. Mein Weg führt durch die Simon-Dach-Straße. Das zählt, wenn ich mal spät dran bin, bereits als Aufwärmtraining. Auf einer Breite von zwei Metern Gehweg tummeln sich hier normalerweise Kinder mit und ohne Laufräder, Eltern, Radfahrende, Animateure und unterschiedlich große Gruppen von Tourist*innen. Sie alle eint, niemals und unter keinen Umständen auch nur einen Millimeter zu weichen. Mein Ziel: im Slalom, mit größtmöglichem Tempo, jedoch ohne Körperkontakt mittendurch. Speed Walking mit Hindernissen sozusagen.
Die letzten Wochen jedoch ist alles anders. Den Ferien und der Hitze sei Dank, kaum Menschen hier. Where did all the tourists go? Auch im Umkleideraum ist es ruhig, kein Gedränge. Niemand auf den sonst heiß umkämpften Laufbändern, sie blinken träge vor sich hin und buhlen so um Aufmerksamkeit. Achtlos gehe ich an ihnen vorbei zu den Liegerädern. Mit Kiemsa und den Hanson Brothers im Ohr sind 10 Kilometer fix gefahren. Im Kurs dann sind wir drei Frauen. Drei, wo sonst zwanzig sind! Die Trainerin lässt es ruhig angehen – Faszien werden trainiert. Genau das Richtige für diese Temperaturen. Herrlich entspannt und mit einem guten Körpergefühl mache ich mich nach zwei Stunden auf den Heimweg.
Am Zebrastreifen hält der einzige Autofahrer weit und breit, strahlt mich an, brav! Die Straße runter kommen mir zwei Männer, ins Gespräch vertieft, entgegen. Als wir auf gleicher Höhe sind, höre ich, wie der eine erzählt: „… und dann haben wir uns intensiv und liebevoll zwischen den Zelten geliebt.“ Lächelnd gehe ich weiter – schöne Sommerurlaubszeit! Kerstin Noll
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