Distanzierung nach Kunstaktion: Occupy bereut Buchverbrennung
Zwei Aktivistinnen verbrennen Buch des New Yorker Occupisten David Graeber - auf dem Berliner Bebelplatz. Nun folgt die Entschuldigung.
Mitten auf dem Bebelplatz sitzen 15 Menschen zwischen 20 und 50 Jahren im Kreis auf dem Boden. Sie diskutieren heftig, drehen die gespreizten Hände in schnellen Bewegungen vor dem Körper oder kreuzen die Arme, um Zustimmung oder Ablehnung zu signalisieren. Die Gruppe von Occupy-AktivistInnen hält eine Asamblea ab, die typische Diskussionsform der Bewegung. Wenige Meter entfernt erzählt ein Touristenführer einer britischen Schulklasse von der Bücherverbrennung, die im Mai 1933 auf dem Platz stattfand.
Auch die Occupyer sind wegen eines verbrannten Buchs hier. In der vergangenen Woche zündeten zwei Aktivistinnen auf dem Bebelplatz symbolisch das Buch „Inside Occupy“ des amerikanischen Anthropologen David Graeber an und stellten ein Video davon ins Internet. In einer Erklärung kritisierten sie die urheberrechtlich geschützte Veröffentlichung des Buchs sowie die mediale Darstellung Graebers als Führer der Occupy-Bewegung. Die beiden Aktivistinnen sahen in der Aktion eine künstlerische Performance. Andere reagierten heftig und distanzierten sich, auch Graeber äußerte sich bei Twitter. Das Video wurde wenig später aus dem Netz entfernt. Jetzt soll die Versammlung am Ort des Geschehens zu einer Lösung führen.
Dietmar hat das Video zwar nie gesehen, er bezeichnet die Aktion trotzdem als Katastrophe: „Kunst darf auch anecken, aber was hier passiert ist, geht über die künstlerische Freiheit hinaus.“ Andere Occupyer sehen das ähnlich. Darüber, dass die Form des Protests falsch war, herrscht bei der Asamblea weitgehend Einigkeit.
Auch die Künstlerinnen sehen das inzwischen ein. Julia stammt aus Russland, ihre Partnerin ist Amerikanerin. „Die historische Bedeutung des Platzes war uns bewusst“, sagt Julia. Trotzdem seien sie überrascht, dass ihre eigentliche Aussage bei der Diskussion komplett untergegangen sei. Beide Aktivistinnen distanzieren sich nachträglich von der Form der Aktion: „Wir wollten niemanden verletzen und entschuldigen uns dafür.“ Ihre Kritik an „der kapitalistischen Vereinnahmung der Occupy-Bewegung“ wollen sie aber aufrecht erhalten.
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