Diskussion um "Operation Walküre": "Hitler sells, Stauffenberg sells more"
Superheld des Widerstands oder innersystemischer Oppositioneller? Kurz vor dem Kinostart von "Operation Walküre" diskutierten Experten in Berlin über Graf von Stauffenberg.
Während der Film "Operation Walküre - Das Stauffenberg-Attentat" in den USA von Diskussionen begleitet war, sorgt man sich hierzulande vor allem darum, ob ein Scientologe Stauffenberg verkörpern darf.
Die Veranstaltung "Stauffenberg im deutschen Erinnerungsdiskurs - Vom Vaterlandsverräter zum Superhelden in Uniform" in der Berliner Humboldt-Universität versprach auf den kommende Woche startenden Kinofilm einzugehen. Neben dem Historiker Wolfgang Wippermann, dem taz-Autor und Pädagogen Micha Brumlik und dem Publizisten Konstantin Sakkas saß mit Sonja Schultz auch eine Filmwissenschaftlerin auf dem Podium.
Nach einer Einleitung, die versuchte, den Umgang mit dem deutschen Widerstand im Nationalsozialismus in eine Erinnerungsdebatte einzureihen, die von Schuldzurückweisungen (etwa Hitler als alleinigen Täter zu konstruieren) geprägt sei, referierte Schultze die bisherige Filmgeschichte des 20. Juli. Habe in ersten Filmen aus den Fünfzigerjahren noch die moralische Rechtfertigung, durch das Attentat auf Hitler "die Ehre der Deutschen zu retten", im Vordergrund gestanden, so hätten sich die Inszenierungen in den letzten Jahren geändert. Die "Knoppisierung" ging einher mit einer Emotionalisierung, die Stauffenberg als charismatischen Helden präsentiert. Dem schloss sich Wippermann an: "Hitler sells, Stauffenberg sells more."
Im Gegensatz zur gängigen Meinung, führte er aus, hätten die Attentäter in der Nachkriegszeit keineswegs als Vaterlandsverräter gegolten. Bis 1968 dominierte ein eindeutig positives Bild. Erst spät sei der "andere Widerstand" entdeckt worden: Arbeiter, Juden, Kommunisten. Schließlich seien Historiker zu der Erkenntnis gelangt, dass auch Hitler-Attentäter Antisemiten gewesen seien. Dennoch schloss Wippermann mit dem Plädoyer, den deutschen Widerstand gegen den Nationalsozialismus weder zu verherrlichen noch pauschal wegzureden.
Sakkas Vortrag, der den 20. Juli als Zeichen der Ohnmacht charakterisierte, wurde von Zwischenrufen begleitet. Brumlik fand die richtigen Worte, als er sagte, Sakkas habe im Großen und Ganzen die Thesen von Joachim Fest referiert.
Dem Historiker Wippermann entgegnete er: "Warum sollten wir die Protagonisten des 20. Juli respektieren?" Weil sie sich für den nationalen Standpunkt entschieden hatten und erst sehr spät für die Opposition und den menschlichen Anstand?
Ein halbherziger Schlagabtausch zwischen Wippermann und Brumlik entspann sich. Wippermann beharrte auf der Wertschätzung von Widerstandshandlungen als Taten, Brumlik warnte, man müsse dennoch Nationalkonservative wie Stauffenberg als solche auch benennen. Sonst mache man die Verschwörer zu "Figuren eines existenzialistischen Thesenstücks".
Stimmen aus dem Publikum schließlich versuchten die Debatte weg von Stauffenberg und Co und hin zu Widerstandkämpfern wie Georg Elser zu lenken. Aber auch dies sei eine Ideologisierung, wurde eingewandt, schließlich habe der Widerstand nicht erst 1939 begonnen. Schließlich kam die Frage auf, ob der 20. Juli 1944 überhaupt dem antifaschistischen Widerstand zuzurechnen oder vielmehr eine "innersystemische Opposition" oder ein Putschversuch gewesen sei.
Ob "Operation Walküre", wie Frank Schirrmacher prophezeite, "das Bild von Deutschland in der Welt auf Jahrzehnte prägen" wird, scheint fraglich. In Deutschland jedenfalls ist Stauffenberg bereits seit Jahrzehnten als deutscher Widerstandsheld Teil des kollektiven Gedächtnisses. Tom Cruise sollte man darum als das sehen, was er ist, nämlich Entertainment. SONJA VOGEL
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