Diskussion um Computerspiele: Mehr Wissenschaft gefordert
In der Diskussion um Computerspiele überwiegen oft die negativen Berichte, erklären die Macher der "Clash of Realities"-Konferenz in Köln. Und fordern mehr Wissenschaft.
KÖLN apn | Wenn in Deutschland über Computerspiele diskutiert wird, dann herrscht oft ein negativer Ton vor. Und der schlägt sich auch in der Berichterstattung in den Medien nieder, wie Sven Jöckel, Juniorprofessor für Digitale Medien an der Universität Erfurt, auf einer Konferenz in Köln am Beispiel des Online-Spiels "World of Warcraft" erklärte. "Neben den Aspekten soziale Interaktion und ökonomischer Erfolg des Spiels, dominiert das Thema Sucht die Berichterstattung", sagte Jöckel. Die positiven Aspekte von Spielen würden hingegen nicht ausreichend gewürdigt.
Er hofft darauf, dass Kommunikationswissenschaftler in der weiteren Diskussion eine stärkere Rolle spielen und zu mehr Ausgewogenheit beitragen. Ähnlich sehen das auch Forscher wie Christoph Klimmt von der Johannes Gutenberg Universität Mainz. Er forderte, die Wissenschaft müsse sich deutlicher und vehementer an der öffentlichen Diskussion über Computerspiele beteiligen.
"Die Kenntnisse über Computerspiele sind in der Gesellschaft relativ gering ausgeprägt", beklagte auch Martin Lorber von Electronic Arts, einem der führenden Hersteller von Computerspielen. "Es fehlte in der Vergangenheit ein Forum für den Wissenstransfer von der Forschung hin zu den Medien und der Politik". Diese Lücke will die Konferenz "Clash of Realities" füllen. Sie wurde in diesem Jahr bereits zum dritten Mal in Köln von Lorber und Professor Winfred Kaminski von der Fachhochschule Köln durchgeführt und ging am Freitag zu Ende.
In diesem Jahr verfolgten rund 300 Teilnehmer die Präsentation neuer Forschungsergebnisse und beteiligten sich an der Diskussion. Die Experten kamen aus Großbritannien, Italien, Dänemark, Österreich, Schweiz und Deutschland. Auf der Tagesordnung standen Fragen nach Gewaltverhältnissen, Geschlechterrollen, politischen Implikationen, Potenzialen des Lernens und der ästhetischen Gestaltung von Computerspielen. Es wurde über Ego-Shooter ebenso diskutiert, wie über digitale Sportsimulationen, Planungs- und Strategiespiele. Unter dem Oberbegriff Jugendkultur ging es um Freizeiterleben, Identitätsfindung, die Entstehung neuer Sozialräume durch virtuelle Spielwelten und um soziale Prozesse.
Neue Aufklärungsangebote zu Computerspielen
Die Diskussion zwischen Wissenschaft und Praxis führen auch zu neuen Initiativen, wie zum Beispiel bei Aufklärungsangeboten zu Computer- und Videospielen. Daniel Poli von der Fachstelle für Internationale Jugendarbeit der Bundesrepublik Deutschland rief dazu auf, "die jungen Menschen direkt einzubeziehen und positiv das Thema auf Augenhöhe mit der Zielgruppe aufzugreifen".
Ein Thema war auch wieder der Jugendschutz in Deutschland, der von der Spieleindustrie vor allem deshalb kritisiert wird, weil Deutschland ein anderes Bewertungssystem zur Alterseinstufung als der überwiegende Rest Europas verwendet. Das erschwert die europaweite Vermarktung von Spielen. Das gemeinsame System mit Namen "Pan European Game Information" (PEGI) wurde in Deutschland nicht übernommen, stattdessen bleibt es bei der Alterskennzeichnung durch die "Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle".
Bei PEGI wird die Prüfung durch ein unabhängiges niederländisches Institut durchgeführt. PEGI bietet neben einer Alterseinstufung zusätzlich eine Inhaltsbewertung mit Symbolen zum Beispiel für "vulgäre Sprache", "Sex" oder "Drogen".
Dass sich am Bewertungssystem in Deutschland etwas ändert, ist nicht abzusehen. Jugendschutz hat in Deutschland Verfassungsrang, und der Staat will sich aus diesem Bereich wohl nicht zurückziehen.
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