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Diskriminierung in BerlinPolizei mit strukturellem Problem

Der Bericht des Antidiskriminierungsnetzwerks zeigt einen Anstieg von Diskriminierung. Meist handelt es sich um Rassismus, häufig durch die Polizei.

Häufiger Ort der Diskriminierung durch die Polizei: pro-palästinenische Demo Foto: dpa

Aus Berlin

Beritan Dik

Der am Donnerstag vorgestellte Jahresbericht 2023/24 des Antidiskriminierungsnetzwerks Berlin (ADNB) zeigt eine deutliche Zunahme an Rassismus. Insgesamt stieg die Anzahl der Meldungen beim ADNB um 2,9 Prozent.

„Wo kommst du wirklich her?“, hatte ein Berliner Polizist bei der Identitätsfeststellung einen Fahrradfahrer gefragt. Diese Frage führte im vergangenen Jahr nach vier Jahren Verhandlungen zur Verurteilung wegen Diskriminierung. Den Fall und viele weitere hatte das ADNB beratend und juristisch begleitet. Aus ihrer Arbeit wissen sie, dass es sich um ein seltenes Erfolgserlebnis handelt. „Es ist erfreulich. Aber es passiert so selten“, so Parto Tavangar von ReachOut bei der Vorstellung des Antidiskriminierungsreports 2023/24 am Donnerstagmorgen.

Das ADNB ist es eine nichtstaatliche und unabhängige Beratungsstelle für in Berlin lebende Menschen, die Diskriminierung erleben. Ihre Hauptaufgabe besteht in der Beratung und Unterstützung. Gleichzeitig dokumentieren sie die Fälle. Damit kann das ADNB die Lebensrealität vieler Menschen widerspiegeln und die Entwicklungstendenzen von Diskriminierung aufzeigen.

Das ADNB dokumentiert Diskriminierung auf Basis der Merkmale aus dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) und dem Berliner Landesantidiskriminierungsgesetz (LADG). Die Merkmale des LADG sind dabei weiter gefasst. Das ADNB identifiziert zusätzlich die zugrunde liegenden Machtverhältnisse.

So würden rechtliche Kategorien wie Diskriminierung aufgrund „ethnischer Herkunft“ rassistische Zuschreibungen oft nicht angemessen abbilden. Entscheidend seien nicht individuelle Merkmale, sondern soziale Strukturen und Verhältnisse. Deshalb berücksichtigt das ADNB Machtformen wie Rassismus, Nationalismus, Staatsbürgerschaft, Sprache oder Religion, Sexismus, Klassismus und Ableismus.

Anti-kurdischen Rassismus führte das ADNB als neue Kategorie ein. Er zeigt sich in Benachteiligung, Stigmatsierung und Kriminalisierung, Identiätsabsprache und Sprachverweigerung.

Vorfälle auf Demos

Im Vergleich zum vorherigen Bericht 2020–22 stiegen besonders Rassismusfälle (+19,9%). Die Zahl der Betroffenen hat sich im Jahr 2024 fast verdreifacht. Laut Bericht läge dies an Vorfällen auf palästinasolidarischen Demos, auf denen oft Po­li­zis­t*in­nen mehrere Menschen diskriminierten.

Die häufigste Diskriminierungsform war die unmittelbare Diskriminierung mit 417 Fällen. Doch auch die Fallzahlen von Belästigung oder Mobbing (198) und struktureller oder institutioneller Diskriminierung (133) waren hoch.

Struktureller Rassismus zeigt sich insbesondere in Berliner Behörden. 45 Prozent und damit die Mehrheit der Fälle geht von der Polizei aus. Das ADNB bemängelt fehlende wirksame Beschwerdestrukturen und mangelndes Problembewusstsein. Es würden verpflichtende Fortbildungen für Po­li­zis­t*in­nen fehlen und Beschwerden würden oft ins Leere laufen.

Selbst im Fall „Woher kommst du“ meinte der Polizist, dass das rechtliche Vorgehen zu keinem Urteil führen würde. Dies berichtete das ADNB in ihrer Vorstellung. In der Gesprächsrunde zur Vorstellung der Studie forderte ReachOut strukturelle Veränderungen in der Polizei. Sonst ändere sich nichts.

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