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Disko-Revival„Das war ein zweites Wohnzimmer“

Der „Lindenhof“ war eine kleine Diskothek, aber überregional bekannt. 15 Jahre später tourt Haus-DJ Ansgar Tegeler auf Partys über Land.

War mal eine Dorfdisko: Der „Lindenhof“ in Wetschen bei Diepholz. Foto: Jan-Paul Koopmann
Interview von Jan-Paul Koopmann

taz: Herr Tegeler, was haben Sie gemacht, als die Disco, in der Sie Woche für Woche aufgelegt hatten, vor 15 Jahren schloss?

Ansgar Tegeler: Als der Lindenhof zugemacht hat, war eine Weile wirklich erstmal gar nichts angesagt. Dann bin ich eher zufällig an einen Motorradclub gekommen und hab auf deren Sommerfest aufgelegt. So ging das los mit den Rocknächten und Lindenhof-Revival-Partys. Die gibts inzwischen von verschiedenen Veranstaltern mehrmals im Jahr - meist in irgendwelchen angemieteten Landgasthöfen.

Warum hängen heute immer noch so viele Menschen an dieser kleinen Dorfdisco?

Der Laden war immer irgendwie anders und hat nie Ersatz gefunden. Das fängt schon damit an, dass man da immer mit dem Gesicht Richtung Wand getanzt hat - keine Ahnung warum. Die Älteren wollen auf den Partys natürlich mal wieder ihre Musik hören - sei es 70er-Mucke wie die „Stones“ oder 80er mit „Depeche Mode“, „Sisters of Mercy“ und so weiter. Und die jungen Leute wollen einfach mal sehen, wie das damals so war und warum diese Musik so viel interessanter ist als der meiste Kram heute.

Alternative Musik gibt es aber schon noch.

Aber nicht in so einer Mischung. Ein Club kann das heute nicht mehr bringen, so einen Mix hinzulegen aus Gothic, Metal, Funk and Soul - manchmal sogar mit Jazz-Einschlag. Das ging quer durch Szenen und Jahrzehnte.

Also war das schon zu Lebzeiten ein Nostalgie-Projekt?

Ja, der Hof hat sich in den 90ern eigentlich selbst wiederholt. Mehr Musik von 70er-Bands habe ich nirgendwo anders mehr aufgelegt. Das waren ja auch teilweise sperrige Nummern. „Gamma Ray“ von den Krautrockern „Birth Control“ - das geht fast zehn Minuten. Wenn das Stück anlief, wusste der Imbiss vorne schon Bescheid, dass Ansgar gleich Pommes bestellt. Das hab ich jeden Abend so gemacht - der Song hatte für mich eine Funktion. „Polizisten“ von „Extrabreit“ übrigens auch.

Foto: privat
Im Interview: Ansgar Tegeler

42, war DJ in der legendären Dorfdisko "Lindenhof" bei Diepholz. Heute legt er auf Revival-Partys auf, bei Tag arbeitet er als Verfahrenstechniker und Schweißer.

Dabei schafft man aber keine Pommes.

Nein, den haben wir aufgelegt, wenn die bekannten Zivilfahnder im Laden aufgetaucht sind. Der Hof war eben nicht nur wegen seiner extrem guten Soundanlage bekannt, sondern auch wegen den Drogengeschichten. Gott, was wurde in der Hütte gekifft … Wahrscheinlich war es deswegen auch immer so friedlich mit den Alternativen und Linken da.

Ja war die Dorfdisco denn links?

Der Hof auf jeden Fall, auch wenn Politik da so direkt keine Rolle gespielt hat. Aber wenns drauf ankam, war der Hof links.

Was meinen Sie damit?

Einmal sind da die Dorf-Faschos aus Diepholz aufgetaucht. Es war gerade elf Uhr und ich wollte so langsam mit dem Auflegen anfangen. Da meinten die Jungs vom Motorradklub: „Sofort Anti-Nazi-Mucke anmachen, Ansgar.“ Dann haben die eine von den Glatzen mit dem Kopf voran durch die Klotür geprügelt. Die ganze Aktion hat nur zwei oder drei Minuten gedauert und die Nazis haben es vorgezogen, sich zu verpissen.

Friedlich bekifft klingt das aber nicht.

Ach, das war wahrscheinlich die einzige Schlägerei in 20 Jahren. Der Wirt war dann auch richtig sauer, weil die Tür hin war. Aber die Aktion war einfach nur geil.

Hören Sie die Musik von damals auch privat?

Ich versuche schon immer wieder Neues zu entdecken. Gerade würde ich mich eigentlich gerne mit dieser neuen alternativen Musik anfreunden. Das hat ja alles einen tierischen Elektro-Einschlag bekommen. Ich muss aber ehrlich sagen, dass ich schon eher den alten Krempel höre - vor allem, wenn ich im Auto unterwegs bin. Ich hatte damals einfach riesiges Glück mit der Musik.

Wieso Glück?

Ich hab 88 angefangen aufzulegen. Und das waren saugute Jahre für einen alternativen DJ. Die Musik war grade richtig im Umbruch, weg von diesem ganzen Pop-Gedöns hin zu härteren Klängen: 88 kam Guns N Roses mit „Appetite for Destruction“ raus, 91 Nirvana mit „Nevermind“. Und dann „Rage against the Machine“ und so weiter.

… Alben, die zehn Jahre später immer noch rauf und runter gelaufen sind.

Das tun die doch heute noch!

Aber warum hat dann ab 2000 eine Disco nach der anderen zugemacht?

Das war eine komische Zeit. Das Internet kam immer mehr in die Hufe und die Leute sind zu Hause geblieben. Das Ausgehverhalten ist heute total anders. Discos sind weg und gleichzeitig wachsen die Festivals jedes Jahr - vor allem die großen wie Rock am Ring, Hurricane oder Wacken.

Also: Früher war alles besser, oder?

Nein, das ist ja alles nicht vorbei. Es wird nur diese coolen Clubs so nicht mehr geben.

Sondern?

Die Leute suchen sich Einzelveranstaltungen raus - Revival-Parties in der kalten Jahreszeit und im Sommer dann eben Festivals. Und weil man das nicht mehr jede Woche haben kann, macht man eben ein besonderes Event draus. Aber das geile Lebensgefühl von damals gibt es heute nicht mehr.

Also doch.

Naja, sagen wir mal: So ein Event, und sei es noch so geil, kann ja nicht alles abbilden, was man damals in Clubs wie dem Lindenhof erlebt hat. Weil das nie so intensiv sein kann. Lindenhof war ein Lebensgefühl.

Weil es Alltag war?

Man ist doch in den Laden reingekommen und wusste: Jetzt ist Wochenende. Hier gibt es den weltbesten Kaffee, auch wenn er nur aus diesem Vollautomaten kam. Das war ein zweites Wohnzimmer und so was kann ein Festival eben nicht bieten.

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