Digitales Kino gefährdet Filmkunstheater: Völlig von der Rolle
Die Filmkunsttheater bangen um ihre Existenz. Sie fordern öffentliche Unterstützung für die anstehende teure Umrüstung auf Digitaltechnik. Doch Berlin und dem Medienboard fehlt ein schlüssiges Förderkonzept.
Für Dieter Kosslick ist die Sache fast schon eine Selbstverständlichkeit: "Die neuen Abspielmöglichkeiten sind sehr wichtig für die Berliner Filmfestspiele. Denn dem digitalen Kino gehört die Zukunft." Doch was dem quirligen Berlinale-Chef für sein Festival vom 11. bis 21. Februar recht ist, ist den übrigen Berliner Filmtheatern, speziell den 58 Programm- und Arthousekinos in der Stadt, noch lange nicht billig.
Die Umstellung von der analogen 35-Millimeter-Filmprojektion auf die digitale Vorführtechnik mittels Server, Festplatte oder CD bereitet den Berliner Kinos massive Probleme. "Den Filmtheatern fehlt das Geld, die technische Neuerung in ihren Häusern zu installieren", schlägt Andreas Kramer, Mitglied im Vorstand des Hauptverbandes Deutscher Filmtheater (HDF), Alarm.
Zugleich mangele es an politischer Unterstützung, klagen die Programmkino-Betreiber und der Verband AG Kino jetzt kurz vor der Berlinale. Denn: "Diese Investitionen dürfen den Kinos nicht allein aufgebürdet werden", sagt Christian Bräuer, Geschäftsführer der Yorck-Kinogruppe und Vorstand in der AG Kino Gilde. Für die tiefgreifenden Strukturveränderungen - die manche mit der Umstellung von Stumm- auf Tonfilm vergleichen - sollte ein tragfähiges Förderkonzept für die regionale Kinolandschaft unter Beteiligung "des Landes Berlin und dem Medienboard Berlin-Brandenburg" aufgelegt werden. Werde das versäumt, führe dies zu einem erneuten Kinosterben und dem Verlust der vielfältigen Berliner Kinolandschaft, warnen etwa Suzan Beermann vom Kino "Eiszeit" und Paul Wiesäcke vom "fsk".
Das Ende der Filmrollen und die Einführung der später kostengünstigeren Digitaltechnik ist teuer. Selbst Kinoketten ächzen über die Preise für Abspielcomputer und die Installation der angeblich brillanten Bildtechnik. 70.000 bis 100.000 Euro pro Leinwand kostet der Spaß, Wartung oder Umbauten nicht eingerechnet. Bundesweit sind 1.700 Lichtspielhäuser von der Umstellung betroffen. In Berlin mit seiner hohen Kinodichte sind es rund 100 Filmtheater. Hier bespielen die Multiplexe gerade mal je eine Leinwand digital. Die Programmkinos führen, bis auf das Kino International, analog vor.
Ende 2009 war der Versuch von Verbänden, Kulturstaatsminister Bernd Neumann (CDU), den Ländern sowie der Filmförderungsanstalt (FFA) gescheitert, gemeinsam ein Finanzierungsprogramm zur Digitalisierung in Höhe von 100 bis 300 Millionen Euro aufzulegen. Ein Konzept von Senat und Medienboard für die Berliner Programmkinos sei deswegen jetzt umso notwendiger, sagt Yorck-Chef Bräuer. Das Land und das Medienboard Berlin-Brandenburg sollten konkret über Regelungen und Zuschüsse nachdenken, wie Bayern, NRW und Baden-Württemberg es tun. Diese haben "als gezielte Hilfe für Filmkunsttheater" ab 2010 "Sondermittel" in Höhe von 500.000 bis 1,2 Millionen Euro für die kommenden Jahre eingerichtet.
Berlin hat dies bisher verschlafen. "Berlin hat noch keine landeseigene Förderschiene für den digital Roll-out der Berliner Kinos", räumt Stephan Schulz, Sprecher der zuständigen Wirtschaftsverwaltung, ein. "Viele Förderinstrumente wurden im Vorfeld analysiert, passen jedoch nicht." Sigrid Herrenbrück vom Medienboard muss auch passen. Damit das Medienboard den Kinos überhaupt Mittel zur Verfügung stellen könnte, "müssen unsere Vergaberichtlinien geändert werden". Die Gelder würden für Produktionen bereitgestellt, nicht für Kinotechnik. Dies werde nun "sicherlich debattiert"; zudem habe das Medienboard einen Kinobeauftragten eingestellt.
Frank Zimmermann, medienpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus, will angesichts der möglichen Schieflage der Kinos "jetzt auf die Änderung der Richtlinien drängen". Er hoffe, dass das Medienboard und Brandenburg bei der Änderung "mitziehen". Zimmermann hat auch eine Fördersumme im Kopf: "Mit 3 bis 5 Millionen Euro wäre die digitale Umstellung zu stemmen." Zumindest wäre es ein Anfang.
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