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■ Die ungeliebten Vaterlandsverräter/innenDie Fremdgängerinnen

Binationale oder bikulturelle Ehen sind nach wie vor wenig erwünscht in unserer Gesellschaft. Sie haben — mit wenigen Ausnahmen — nur geringes Sozialprestige. Dies gilt insbesondere für die Ehen deutscher Frauen mit ausländischen Männern. Streng geordnet nach dem Nord-Süd- und West-Ost-Gefälle, ist ein solches Paar zudem in unserer Gesellschaft weniger wert, von je weiter weg der Partner kommt und je dunkler seine Hautfarbe ist. 75 Prozent der Inländer/innen lehnen die Ehe einer deutschen Frau mit einem ausländischen Mann ab, so das Ergebnis einer ZDF-Umfrage vor einigen Jahren.

Anders die Ehe eines deutschen Mannes mit einer „exotischen“ Frau! Er gewinnt an Ansehen bei seinen Geschlechtsgenossen, und seine ausländische Frau steigt an seiner Seite in der Werteskala auf, während die inländische Frau an der Seite des geringer angesehenen ausländischen Mannes, auch wenn er Akademiker wäre, absteigt. Selbst der Brautkauf durch europäische Männer in Thailand oder auf den Philippinen z.B. hat dieser Sicht keinen großen Abbruch getan. Männer befinden sich auch in diesem Verhalten in gutem Einklang mit der Tradition. Frauen konnten schon immer geraubt, gekauft, verkauft oder dort eingesetzt werden, wo es Männern nützte.

In einer Konferenz, die sich mit der Frage der Beratung von deutschen Frauen befaßte, die mit ihrem ausländischen Partner in dessen Heimat umziehen wollten, brachte es ein Experte auf den Punkt: „Wollen wir doch mal ehrlich sein“, sagte er ohne Scheu davor, daß einige von diesen sog. Ausländerfrauen vor ihm saßen, „diese Frauen sind alle arme gefallene Wesen. Sie sind auf den Charme und die funkelnden schwarzen Augen dieser Männer hereingefallen. Das einzige, was wir für sie tun können, ist, sie dann, wenn sie wieder nach Hause in den Schoß ihres Vaters zurückkehren wollen, aufzunehmen.“

Ein Rechtsanwalt, der viel mit Scheidungsfragen befaßt ist, sagte mir, daß er davon ausgehe, „daß sich diese Leute sowieso alle scheiden lassen“. Interessant ist, daß sich alle diejenigen, die immer wieder behaupten, solche Ehen funktionierten nicht, bei genauerem Hinsehen eines besseren überzeugen lassen könnten. Denn Statistiken, die es in unserem Lande im Überfluß gibt, zeigen, daß bikulturelle Ehen – übrigens in der Tendenz ständig steigend – nicht weniger gut „halten“ als monokulturelle. Es müßte außerdem zu den banalen Einsichten aus unserer Geschichte gehören, daß wir – zumindest in Europa – nahezu alle Kinder aus bikulturellen Ehen sind. Oder wie sollen sich die vielen Wanderungen, Eroberungen und Kriege, aber auch Handelsbeziehungen anders ausgewirkt haben als durch solche Verbindungen? Wenn Gesetzgeber, verantwortliche Politiker und Beamte heute allen Ernstes solche Ehen diskriminieren – vgl. z.B. die undifferenzierte Diskussion über die sog. Scheinehen –, wenn Frauen als Ausländerhuren beschimpft und wegen ihrer Partnerwahl bei der Wohnungssuche oder im Alltag diskriminiert werden, dann reagiert hier doch wohl der kollektive Mann, der das Fremdgehen, die Grenzüberschreitung „seiner“ Frauen nicht aushalten kann. Verunsichert ob der vermuteten Potenz des Fremden, mit sexistischen Unterstellungen gegenüber den Frauen, stiert er auf den „schwarzen“ Mann, dem es offenbar besser gelingt als ihm, die Lüste der Frauen zu befriedigen.

Das Fremdgehen wurde immer als Gefährdung gesehen, als Gefährdung des Mannes, der sozialen Gruppe, ja, des Staatswesens. Den Frauen kann man nicht mehr trauen, sie „verraten“ ihre Rasse, sie sind der „Nation nicht mehr treu“. In dieser Sichtweise hat sich nichts geändert, bis heute nicht. Denn immer noch wird dieser Gruppe die rechtliche Gleichstellung verwehrt.

Es mag ja sein, daß die kulturellen Differenzen groß sind, daß der Akkulturationsprozeß enorm schwierig sein kann. Es mag ja stimmen, daß manche Ehepaare dies alles nicht bewältigen. Aber ist es nicht so, daß die zusätzliche Ausgrenzung, die geringe Ermunterung und Hilfestellung die persönliche Integrationsleistung verhindert? Ich selbst lebe seit etwa 30 Jahren in einem solchen Kontext. Manchmal war es Streß, mich ständig infrage stellen zu müssen durch die Konfrontation mit anderen Wertvorstellungen meines Partners. Zweifel, Enttäuschungen, Mißverständnisse, Machtkämpfe und die Angst, die Distanz nie überwinden zu können, haben mich immer wieder geplagt, so wie sie meine Freundin plagen, deren Partner Deutscher ist. Manchmal war es aber auch spannend, lustvoll, toll, Neues zu entdecken und paradiesisch zu erleben, wie schön es ist, wenn vermeintliche Barrieren übersprungen werden können.

Aber das übelste sind die Leute, die uns Fremdgängerinnen ständig einreden wollen, daß an allem Unglück dieser Welt der Fremde und seine kulturelle Andersartigkeit „schuld“ sei. Daß er sich nicht anpassen könne und daß unsere Kultur die höherwertige sei. Ich möchte sie manchmal nicht mehr ertragen müssen, diese Wohlmeinenden, Frauen und Männer, die mit mir Mitleid haben wollen, weil ich „so einen“ abgekriegt habe.

Hört endlich auf, uns – wie es konservative Opis tun – einzureden, daß das interkulturelle Experiment grundsätzlich „nicht geht“, weil der „andere so anders“ ist. Leben und bestehen können Leute wie wir nämlich nur in einer Gesellschaft, die gerecht (auch gegen andere Völker und Fremde) und offen ist, die viele Möglichkeiten der Lebensgestaltung zuläßt, die tolerant ist und nicht ständig andere kolonisieren will. Und für die müssen wir eintreten, sonst haben Leute wie wir, da habt ihr natürlich recht, keine Chance. Rosi Wolf-Almanasreh

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