: Die ungeheure Leichtigkeit der Kulisse
■ Schaustelle: Lob für Rossi und Libeskind. Mehr Angebote
Alle sind sie erleichtert. Margret Wölferl, die mit ihrem Mann gekommen ist, oder Gerd Steinecke, der einmal vor Ort sehen wollte, wovon er „schon soviel gehört“ hat. Das im Rohbau befindliche „Quartier Schützenstraße“ in Mitte, in dem nach den Plänen des italienischen Architekten Aldo Rossi einmal zwölf Häuschen Stadt spielen dürfen, hat sie nicht enttäuscht. „Mir gefällt, daß die Fassaden gegliedert sind, daß Altes angezogen wird“, sagt Margret Wölferl und erntet Zustimmung. Ein Mann vergleicht den „Rossi- Block“ sogar mit den Hackeschen Höfen und nimmt beide Ensembles gegen die „sonstige Architektur“ in Schutz. Zwar wisse er, daß er damit nicht den Geschmack der Architekturkritiker treffe, aber die hielten sich ja auch nicht an die Meinung des Normalbürgers.
Tatsächlich sind es nicht die Professionellen ihres Fachs, die auf den Baustellen der „Schaustelle Berlin“ über Architektur diskutieren, sondern jene, die sie einmal tagtäglich ertragen müssen. Anwohner, Flaneure, Alltagsberliner eben. Und deren Urteil ist nicht immer nach dem Geschmack der Kritiker. Daß Rossi zum Beispiel einen italienischen Palazzo aus Beton gießen läßt, daß klassizistische Strenge über vier Untergeschossen nichts anderes ist als Kulisse, stört kaum einen der zahlreichen Besucher. Was zählt, ist die Abwechslung fürs Auge, die „kleinen Häuser“, die „schmucken Innenhöfe“, die „bunten Farben“. Und natürlich auch die zahlreichen kleinen Läden, vom Lottoladen über den Schuhmacher bis zum Gemüsehändler, die dereinst in die Erdgeschosse des Rossi-Theaters ziehen werden. Margret Wölferl: „Das ist schon ein Unterschied zu der eintönigen Fassade am Checkpoint Charlie.“
Obwohl die Idee der „Schaustelle Berlin“ so kurzfristig ins Leben gerufen wurde, daß der touristische Effekt gegen Null geht, ist die Nachfrage riesig. Der Run auf die Karten, die man in der Infobox am Potsdamer Platz bekommt, ist auch unter den einheimischen Interessierten so groß, daß der Veranstalter „Partner für Berlin“ sich kurzerhand für eine Verdoppelung des Angebots entschieden hat. Allein in der ersten Woche waren fast 1.000 Karten allein für die Baustellenführungen am Potsdamer Platz verkauft worden. Und auch der Berliner Einzelhandel, der das Angebot, die Tore auch übers Wochenende zu öffnen, am vergangenen Samstag und Sonntag nur spärlich genutzt hat, hat an diesem Wochenende reagiert, freut sich „Partner für Berlin“-Geschäftsführer Volker Hassemer.
Wie groß das Interesse ist, Baustellen einmal von einer anderen Perspektive als immer nur von außerhalb des Bauzauns zu betrachten, zeigte sich gestern auch beim „Zickzackbau“ von Daniel Libeskind für das Jüdische Museum. Der Andrang auf die dortigen Führungen war so groß, daß die Veranstalter alle Mühe hatten, die Besuchermassen hinzuhalten.
Wer das Gebäude schließlich von innen sah, konnte sich dem andersartigen Raumgefühl kaum verschließen. „Es ist, als sähe man von einem neuen Standort bereits wieder den zur Geschichte gewordenen alten“, beschrieb eine Besucherin den faszinierenden Ausblick aus den eigenwilligen Fenstern auf die gegenüberliegende Seite des Libeskind-Baus. Uwe Rada
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