■ Schlingensiefs Pantoffeltheater: Die tote Katze
Wäre es nicht so komisch, müßte man lachen. Da kommt der Provokateur Christoph Schlingensief an die Volksbühne und inszeniert ein Stück über den an Aids verstorbenen schwulen Neonazi Kühnen. Der Moment ist gut gewählt. Alle Welt diskutiert Bonengels Film „Beruf: Neonazi“, Castorfs Theaterfabrik ist prima im Gespräch. Nun also Schlingensiefs Schreckensspektakel. Und was passiert? Gar nichts. Die bange erhofften und gefürchteten Neonazis marschieren nicht auf, das Publikum und die Kritiker schleichen hingegen still und etwas betäubt raus. Nur die wirklich guten Menschen, die die Tiere beschützen, melden sich etwas verspätet heftig zu Wort. In Schlingensiefs „Kühnen '94“ läuft ein kurzer Film über eine Katze, die von zwei nackten Männern geschlachtet wird. Nun also erklärt Volker Wenk vom Tierheim Lankwitz: „Das Elend der Tiere ist schon groß genug.“ Und die Neue Zeit fragt, ob die „bluttriefende Porno-Horror-Ekel-Show“ nicht bald abgesetzt werde.
Daß es hierzulande mehr Tierschützer als Menschenschützer gibt, ist bekannt. Daß alles Ungewohnte in der Kunst im Zweifelsfall gerne verboten werden soll, wissen wir auch. Spannend an dem Protest der Tierschützer ist nur, daß erst er zeigt, wie harmlos dieses Theaterstück daherkommt. Niemanden erregt die Darstellung Kühnens als sanftes verzogenes Jüngelchen. Und niemanden empört die Charakterisierung Deutschlands als Fick-, Fäkalien- und Faschistenland. Aber die tote Katze schafft uns! Sie entlarvt wunderbar Schlingensiefs ganze Ästhetik des Häßlichen als eine Ästhetik der Verblendung. Statt Enthüllungstheater zeigt er Verpackung. Enttäuschend wäre, sollte sich die Volksbühne, der „Panzerkreuzer am Rosa-Luxemburg-Platz“, nur als Pappschiff herausstellen. Geladen mit Platzpatronen, die höchstens empfindsame Tiere und ihre sensiblen Tierfreunde aufschrecken. Das wäre so traurig, daß man darüber nicht mal weinen könnte. Dirk Nümann
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