piwik no script img

Die neue Nr.1 im Tor bei Arsenal"Das ist die Art eines Flegels"

Manuel Almunia, der noch vor nicht allzu langer Zeit am Mobbing seines deutschen Konkurrenten zu zerbrechen drohte, hat sich mit Fleiss im Tor des FC Arsenal durchgesetzt.

Zumindest die scharfen Angriffe seines Rivalen Jens Lehmann muss Almunia bald nicht mehr fürchten. Bild: dpa

BARCELONA taz Die Angst vor den Deutschen geht wieder um. Zumindest bei Francis Cagigao, der für den englischen Tabellenersten FC Arsenal im spanischen Fußball nach Talenten späht. Er sagt am Telefon nur: "Ich darf dir nicht Auskunft geben. Du bist ein Deutscher." Bitte? "Egal, was ich über Manuel Almunia sagte, es würde in der Kontroverse um Almunia und Jens Lehmann benutzt werden."

Lehmann war da bekanntlich weniger vorsichtig. Der deutsche Nationaltorwart ließ kaum eine Gelegenheiten aus, die Polemik anzuheizen und Almunia schlechtzureden, seit Arsenals Tor nach Lehmanns zwei kapitalen Fehlern im September dem Spanier anvertraut wurde. "Hat nicht meine Klasse", "ich kenne seine mentale Verfassung", "hat uns noch nichts gewonnen", ätzte Lehmann. Nun steht er davor, zu Borussia Dortmund zu flüchten, weil er an seinem Vertreter nicht mehr vorbeikommt. Fast schon nationalistisch klingt es in manchen deutschen Medien, wenn erörtert wird, wie nur dieser spanische Niemand Deutschlands Nummer eins aus London vertreiben konnte. Die Mühe herauszufinden, wer jener Almunia eigentlich ist, zu hören, was er sagt, hat sich niemand gemacht. Dies ist die ungekannte Seite eines Konflikts.

Almunia verspürt auch wenig Begeisterung, sich mit einem Deutschen zu unterhalten. Allerdings beschränken sich seine Vorbehalte auf einen konkreten Deutschen. "Es gibt schon lange kein Verhältnis mehr mit Lehmann", sagt er, "und mir ist es lieber so. Mir geht es besser, wenn ich nicht mit ihm rede." Almunia ist ein umgänglicher Mann. Er war nicht vorbereitet auf einen Kollegen, der das Verhältnis Torwart zu Ersatzmann als Duell betrachtet.

Als der Reservetorwart vor drei Jahren erstmals dem damals kurzzeitig flatternden Lehmann vorgezogen wurde, war der Deutsche von einem Abend auf den nächsten Morgen ein anderer. Er beachtete Almunia nicht mehr. "Kein Blick, kein Wort mehr, nichts", berichtete Almunia der Zeitung El País. "Lehmann schaltete sogar den Deutschen Fußball-Bund ein, damit der für ihn Lobby betrieb. Das ist die Art eines Flegels." In jener Zeit unterliefen Almunia schlimme Fehler. Er zerbrach; auch am Mobbing des deutschen Torwartkriegers. Ein Franzose, der damals bei Arsenal spielte, erzählt im Privatgespräch: Nach einem erneuten Patzer habe Almunia mit Tränen in der Umkleidekabine gesessen. Und Lehmann habe den Kopf geschüttelt und gelächelt.

Es war die Zeit, als Almunia "einfach nur noch aufgeben wollte. Ich sehnte mich nach einem Leben in einem nordspanischen Dorf." Es war die Zeit, als sich die Szene fragte, wie Arsenal nur so einen Torwart verpflichten konnte. In Almunias Vita fand sich keine Antwort. Er war 27, als ihn Arsenal 2004 rief, er hatte in sieben Profijahren in Spanien elfmal den Verein gewechselt und ganze 26 Erstligaspiele bestritten. Er war mal Ersatztorwart beim Drittligisten Cartagena, mal in Eibar der Torwart mit den wenigsten Gegentreffern der 2. Liga. In Albacete, einem Hinterhof der Ersten Liga, sah ihn Arsenals Späher Cagigao.

Cagigao will ja nicht reden. Sagen lässt sich aber dies: Arsenal suchte einen Reservetorwart; er sollte Erfahrung als Nummer eins haben, aber auf der Ersatzbank nicht rastlos herumrutschen. Und sie suchten nicht einen Torwart, der einfach gut war, sondern der speziell Stärken im Ablaufen von langen frontalen Pässen besaß, der in Situationen Auge in Auge mit dem freistehenden Stürmer glänzte. Denn Arsenal, das angreifen will, droht die meiste Gefahr bei Kontern. So kamen sie auf Almunia.

Er ist, prinzipiell, sicher kein besserer Torwart als Lehmann. Die Angst vor Fehlern peinigt ihn noch immer: Beizeiten klatscht er Schüsse zur Seite, die er fangen sollte, er greift bei Flanken lieber nicht ein. Seine Statur, 1,91 Meter und schlaksig, lässt ihn verwundbar aussehen. Doch Almunia hält; teilweise, wie unlängst gegen Chelsea, großartig. "Mein Kopf ist viel ruhiger als vor drei Jahren." Kürzlich wurde er gefragt, ob er angesichts Englands chronischer Torwartschwäche nicht den britischen Pass beantragen wolle. "Ich antwortete im Scherz: Warum nicht?" Staunend sieht er, wie daraus in den Medien eine ernste Idee wurde.

Es ist eine Freude zu sehen, dass ein gewöhnlicher, aber fleißiger Torwart im zweiten Versuch dem Druck eines Großvereins und brutalen Rivalens standhält. "Lehmann glaubt, es gelte das Gesetz des Dschungels", sagte Almunia. Jens Lehmann glaubt, Manuel Almunia könne ihm nichts vormachen. Er merkt nicht einmal, welche Lektion Almunia ihm erteilte: Auch ein guter Mensch kann ein erfolgreicher Torwart sein.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

3 Kommentare

 / 
  • M
    Martin

    Die "Größe" von Herrn Lehmann hat sich doch gerade erst gezeigt. Das Gefeilsche und das Hinhalten beim BVB tut ein übriges. Ich habe keine Ahnung, weshalb Herr Lehmann in Deutschland so viel Sympathie erfährt, aber sein Verhalten nach seiner Versetzung ins zweite Glied sprechen Bände. Ich behaupte einfach mal, die Hälfte aller Trainer hätten Ihn nach dessen Kritik einfach suspendiert. Arsene Wenger hingegen ist ein Gentleman. Und er hat ein feines Näschen für die Stimmung in seinem Team. Komisch, dass sich von seinen Kollegen niemand für Herrn Lehmann ausgesprochen hat.

     

    Oder anders gesagt: wehe Olli Kahn hätte nach seiner Degradierung in der Nationalelf derart gestinkstiefelt...

  • B
    burkhard

    Lehmann und Almunia reden nicht miteinander, unter Mobbing verstehe ich etwas anderes. Das Verhältnis zwischen dem ersten Torhüter und seinem Ersatzmann ist im übrigen in vielen Mannschaften angespannt.

     

    Vorwerfen muss man Lehmann dagegen seinen hohen Grad an Selbstüberschätzung. Er hat seit etwa Januar/Februar 2007 bei Arsenal in vielen Spielen keine gute Leistungen mehr gezeigt und verschuldete im ersten Halbjahr 2007 mehrere Tore oder sah zu mindestens nicht gut aus (z. B. das 1:1 im Rückspiel gegen PSV Eindhoven, durch das Arsenal aus der Champions League ausschied). Dies will Lehmann nicht einsehen.

     

    Zudem entwickelte er sich zu einem Unruheherd auf dem Feld, 5 oder 6 gelbe Karten - nicht auf Grund von Fouls, sondern als Folge von Unsportlichkeiten - in einer Saison sind speziell für einen Torhüter, der Ruhe ausstrahlen muß, völlig inakzeptabel.

     

    Nachdem Lehmann zu Beginn dieser Saison wieder zwei schwere Fehler unterliefen, blieb Wenger gar keine andere Wahl, als auf Almunia zu setzen, und das obwohl Almunia eine große Schwäche hat: mit hohen Flanken kann er nicht viel anfangen, bei Eckbällen und Flanken klebt er vorzugsweise auf der Linie und verläßt sich ganz auf seine Vorderleute. Seinen Platz im Tor hat er also weniger Fleiß und Können zu verdanken als dem Umstand, dass Lehmann 2007 längst nicht mehr der Lehmann von 2005 und 2006 in seinem Club war.

  • M
    Marco

    Im Umkehrschluß will der Autor also sagen, Lehmann ist ein schlechter Mensch?

     

    Almunia hat nicht über Lehmanns Behandlung geweint, sonder aus Verzweiflung über seine eigene Unfähigkeit und über die Hetze der englischen Presse. Dass ein knallharter Profi wie Lehmann darüber nur müde lächeln kann ist klar. Soll er den Rivalen trösten, der ihm dann die Karriere ruinieren könnte?

     

    Im übrigen wäre eine Beleuchtung beider Seiten und somit eine vollständigere Recherche fair gewesen. Stattdessen wird hier der vermeidliche Gutmensch Almunia gelobt und Lehmann als böser, brutaler Rivale dagestellt. Dabei sagt der Autor doch schon selbst, was passierte ist. Lehmann hatte ihn damals ignoriert. Und mehr nicht.

     

    Aber vielleicht wäre es für die Leser auch interessant gewesen zu erfahren, dass Almunia von der Bank aus Lehmanns Leistungen in der Champions League gegenüber der spanischen Presse in den Dreck gezogen hatte, offensichtlich aus Eifersucht und Bitterkeit, weil er zu Recht wieder auf der Bank gelandet war und später in einem Interview sagte, er hoffe immer darauf, dass Lehmann vom Platz fliegen würde, damit er spielen könne.

     

    Es wäre auch interessant gewesen zu erfahren, dass Almunia seine eigenen Leistungen in der Vergangenheit nur schlecht einschätzen konnte und meines Wissens noch nie einem Fehler zugegeben hat, obwohl er viele gemacht und Arsenal bis jetzt so ziemlich jedes große Spiel gekostet hat, in dem er spiele durfte. Bis zu dem Spiel gegen Chelsea. Die Chance, endlich mal so ein Spiel zu gewinnen hat Almunia bekommen, weil Lehmann fünf Monate keine Chance gegeben wurde. Almunia hat dafür die extreme Unterstützung des Trainers, der Mannschaft, der Presse und die komplette Demontage Lehmanns benötigt, um endlich mal stabile Leistungen zu bringen. Lehmann kann das selbst noch, wenn alle gegen ihn sind. Das ist der Unterschied zwischen diesen beiden Torhüter. Und wohl auch der Grund, warum Almunia kein Torhüter ist, der ein Finale gewinnen wird, bei dem er unter extremem Druck steht. Oder der gut spielen wird, sobald der im Verein unter Druck oder auch nur etwas in der Kritik steht. Und der wohl auch nie für eine Nationalmannschaft spielen wird.

     

    Es wäre auch interessant gewesen zu erfahren, dass Almunia als Nr. 1 wöchentlich selbstgerechte Sticheleien gegen Lehmann absonderte, aus denen die Schadenfreude über Lehmanns Situation nur so sprach. Was für ein Gutmensch.

     

    Ein durchaus nett gemeinter Bericht, aber doch sehr einseitig beleuchtet und gegenüber Lehmann schon fast verunglimpfend.