Die letzte Fahrt der Hindenburg auf RTL: Hitlers willige Technik
Man muss ja bei Filmen aus den 30ern nicht immer mit der Nazikeule antworten. Aber man kann: RTLs Luftschiffdramolett "Hindenburg" (So. u. Mo. 20.15 Uhr).
Das ist ein Stoff, der mitreißt. Der von Anfang bis Ende packt. Der die Zuschauer in den Bann zwingt. Besonders, wenn man einen so großen originellen und prächtigen Rahmen zur Verfügung hatte. Man hat ein Bauwerk konstruiert, das dem Kameramann alle bildlichen Möglichkeiten gibt. Zeigt etwas, das phantastisch und doch lebenswahr wirkt. Grandios in seinen Formen. Pompös und doch von jener technischen Nüchternheit, die derartige Sensationsbauten haben müssen, wenn das ganze Spiel nicht den Stempel der Echtheit verlieren soll.
Zugegeben: Die Einblicke in das innere des Luftschiffs sind spektakulär, an der Ausstattung sollt ihr sie erkennen, scheint man den Teamworx-Eventmachern ins Stammbuch geschrieben zu haben. Nun ist er also da, der teuerste RTL-Film aller Zeiten: "Hindenburg" erzählt in zwei Teilen à 90 Minuten von der letzten Fahrt des Luftschiffs LZ 129, das am 6. Mai 1937 bei der Landung in Lakehurst bei New York in Flammen aufging.
An sich ist das ein alter Stoff, mehrfach verfilmt, ja sogar schon vom ZDF-Professor als Dokudrama verguidoknoppt. Nun also als TV-Event, mit Starbesetzung (in streng alphebtischer Reihenfolge: Hannes Jaenicke, Heiner Lauterbach, Wotan Wilke Möhring, Ulrich Noethen, Christiane Paul, Hinnerk Schönemann) und Maximilian Simonischek als fesche Neuentdeckung. Der gibt den Ingenieur Merten Krüger, der das Luftschiff selbst mitkonstruiert hat, sich kurz vor dem Abflug noch in eine so reiche wie schöne junge amerikanische Erbin ganz jenseits seiner Kragenweite verguckt und prompt in ein fieses Nazi-Komplott verwickelt wird.
Es geht um kalte Macht, technische Überlegenheit und den kommenden Krieg mit Fernziel Weltherrschaft. Weil aber die Erbin praktischerweise nebst Frau Mama in die USA mitfährt (ja, Luftschiffe fliegen nicht, sie fahren, auch wenn das im Film munter durcheinandergeht), klingen im Himmel zumindest zwischendurch aber auch die Geigen.
Romantisch? Filmromantisch? Gewiß. Aber hinter dieser Romantik taucht doch in Umrissen schon etwas Anderes, Neues auf: der neue Menschentyp der maschinegewordenen Welt, eine neue, kalte Intelligenz, die sich von Minute zu Minute in dieser mit Menschen vollgedrängten Welt behauptet, eine Art neuer Tierinstinkt auf dem laufenden Bande, eine neue Elastizität des Gehirns ... und das restlose Gerichtet-Sein auf ein einziges Ziel: Beherrschung der Elemente, Beherrschung dieser eng gewordenen Erde. Es ist schon etwas darin von der neuen Welt "der Arbeiter", wie der interessante revolutionäre Nationalist Ernst Jünger die Welt von morgen ausdeutet ... auch das junge, reiche Mädchen ist hier schon in diesem Sinn "Arbeiterin", keine Spur Luxusgeschöpf, ohne jede Koketterie.
Koketterie würde auch nicht passen, schließlich stellt sich heraus, dass der Herr Papa Teil des Nazi-Komplotts ist – natürlich nur, weil er sonst vor der Pleite stünde. Am Ende erschießt sich dieser von niemand geringerem als Stacy Keach gegebene Industrielle als irgendwieo doch grundanständiger Mensch natürlich, aber da ist die "Hindenburg" schon in Flammen aufgegangen.
Durch die Feuersbrunst hat Merten Krüger seine Jennifer fortgetragen wie einst Rhett Butler eine gewisse Scarlett O'Hara. Man kann es drehen und wenden, wie man will: RTL hat nach 72 Jahren noch mal "Vom Winde verweht". Der ganze Film atmet nicht nur in seiner perfekten Ausstattung das Hollywood der 30er Jahre. Allerdings hatten sie für "Hindenburg" am Ende bei RTL laut Stern 15 Drehbuchfassungen – und trotzdem kommt eine ziemlich lahme Geschichte heraus, die die Elastizität des Hirns nicht all zu sehr beansprucht.
Die Nazis sind böse (aber so etwas von), die guten deutschen Techniker weltoffen und lieb. Und die Juden hadern mit ihrem Schicksal – was sollen sie auch anderes tun? Nur die Nummer "Amerikanischer Industrieller lässt unter dem Druck der Nazis eine Bombe auf die Hindenburg los, die aber nur Bumm machen und alle erschrecken soll, damit der US-Präsident sein blödes Embargo gegen das Deutsche Reich einpackt" ist ärgerlich. Das ist so ziemlich der absurdeste Erklärungsversuch für die bis heute nicht hundertprozentig aufgeklärte Explosion des Stolzes der NS-Luftfahrt im Mai 1937.
Absurd teuer war der Spaß obendrein: Mehr als zehn Millionen Euro hat "Hindenburg" laut RTL gekostet – macht bei drei Stunden Nettofilmlänge ohne Werbung also mindestens schlappe 55.555,55 Euro pro Minute, Vor- und Abspann inklusive.
Und weil der deutsche TV-Markt allein so etwas nicht stemmen kann, hat man sich bei der Ufa-Tochter Teamworx, die "Hindenburg" produziert hat, hier ebenfalls an der Filmindustrie der 1930er orientiert: Um den Film weltmarktfähig zu machen, spielen neben Stacey Keach noch Greta Saachi als Frau Mama und Lauren Lee Smith als Luxusgeschöpf Jennifer mit. Das war auch 1932 so, als die alte Ufa "FP 1 antwortet nicht" drehte.
Damals ging es um eine Flugplattform in den Weiten des Antlantik, die den damals noch nicht so leistungsfähigen Flugzeugen den Sprung über den Ozean ermöglichen sollten. FP 1 ist wie die Hindenburg ein Wunderwerk der Technik – und meldet sich plötzlich nicht mehr. Daher so machen sich die Tochter des Industriellen, der FP 1 gebaut hat, und ein technisch nicht unbegabter Pilot auf, um nach dem Rechten zu sehen.
Anders als Maximilian Simonischek in "Hindenburg" darf jener berühmten Ozeanflieger in Gestalt von Hans Albers sogar singen, was der Welt "Flieger, grüß mir die Sonne" bescherte, aber den Parallelen keinen Abbruch tut. Denn bei "FP 1 antwortet nicht" war der Plot ebenfalls so haarsträubend wie der ganze Film teuer – man hatte unter anderem die kleine Ostseeinsel Greifswalder Oie zur Flugplattform gemacht und mit Aluminium verkleidet.
Weshalb auch 1932 gleich für mehrere Märkte gedreht wurde: In der englischsprachigen Version spielt Conrad Veith, in der französischen Charles Boyer die Rolle von Albers. Und weil beide Filme so gut zueinander passen, sind die kursiven Passagen oben im Text – Originalpressetimmen zu in "FP 1 antwortet nicht" von 1932.
"Hindenburg" Teil 1 und Teil 2: Sonntag, den 6. Februar und Montag, den 7. Februar 2011, jeweils 20.15 Uhr auf RTL
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