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■ Die kleine BreitseiteDas Testament des Peter Graf

Liebe Steffi,

die Welt der Journaille ist brutal, zumal wenn DER SPIEGEL aufschlägt. Keine Frage, sie wollen Dich breaken: Vorletzte Woche im Wirtschaftsteil („Die Tricks der Steffi Graf“), letzte Woche in der Deutschlandabteilung („Das Geheimnis der Briefkastenfirmen“) und diese Woche unter der Rubrik Sport („Steffi denkt an Rücktritt“). Die Yellow Press fährt Trittbrett und fragt Deine besorgten Fans: „Muß Steffi ins Kittchen?“ Gibt's Haftverschonung für die US Open? Freigang für Wimbledon?

Du hast recht, Steffi, das riecht nach Kampagne! DER SPIEGEL spielt mal wieder Zentralorgan der deutschen Doppelmoral. Er will Dich exemplarisch fertigmachen, um die allgemeine Steuermoral und seine Auflage anzuheben. Dabei biedert sich DER SPIEGEL ausgerechnet bei denen an, deren Lieblingsbeschäftigung darin besteht, dem Finanzamt eins auszuwischen, auch wenn es nur um Pfennigbeträge geht.

DER SPIEGEL will den kleinen Leuten zeigen, wie man es richtig macht, nämlich so wie Boris Becker: Heiraten, Kind zeugen, Steuern nachzahlen! Verstehst Du, Steffi, DER WAIGEL braucht jetzt dringend Geld, wg. Einheit, Autobahnen und Bundeswehrsponsoring. Al

Foto: A. Schmidt/Zero

lein in Somalia wurden 500 Millionen in den Sand gesetzt. Fleischdealer Moksel aus Buchloe hat „nach ganz oben“ bessere Beziehungen als Dein Papa und muß seine 350 Millionen Steuerschulden nicht bezahlen, Zwick- Sohn Johannes drückt statt 70 nur 8,3 Millionen ab, weil das Verfahren zu spät eingeleitet wurde.

Aber irgendwo muß das Geld für den Kanzlerbungalow in Berlin ja herkommen! Also Steffi, sag dem Papi, er soll jetzt brav zahlen, damit Du Dich voll auf Deinen Aufschlag konzentrieren kannst. Wenn das Finanzamt mit dem Pressing aufhört, tut auch der fünfte Rückenwirbel nicht mehr weh! Denk daran: Jeder Sieg ist eine Dosis Endorphin. Wer mit sechs Jahren Profitesse wurde, kann doch nicht mit 26 einfach aufhören.

Oder hast Du etwa Angst vor der „beidhändigen Grunzerin“ Monica Seles? Steffi, Du wirst gebraucht! Was würde die „Grafschaft Brühl“ ohne Dich machen? Du hast ihnen ein Edelstahlschwimmbad beschert. Du bist für die die Steuerquelle Nummer eins! Die haben Blut geleckt. Aber keine Angst: Die wollen Dich nicht schlachten, die wollen nur ein bißchen melken. Das muß erlaubt sein. Schließlich lieben sie Dich auch dafür. Oder hast Du wirklich keine Lust mehr? Willst nicht mehr vom Kanzler „Prachtmädel“ genannt werden? Willst nicht mehr vom Gebrauchtwagen-Peter mißbraucht werden? Keinen Bock mehr auf Rexona, Jade, Lufthansa, Opel und Nudelnummern?

Der Psychotherapeut im Spiegel weiß, was du schon längst weißt: Du bist unterbewußt vom Vater abhängig. Du kannst ihm nur entkommen, wenn Du das Bild von der grandiosen Tennisspielerin zerstörst! Aber warum sich selbst zerstören? Geh lieber mit Gebrachtwagenpeter in die Öffentlichkeit, am besten ins „Aktuelle Sportstudio“. Stell ihn an die Torwand. Nimm den alten Holzschläger, mit dem Du vor zwanzig Jahren angefangen hast! Kräftig ausholen. Ein Schlag Vorhand – ein Schlag Rückhand, und Du bist erwachsen. Matthias Deutschmann

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