■ Die größten Hallodris leben wo? In Frankfurt am Main, der:: Deppen-City
Man kann es nicht mehr hören. Man kann nicht. Auch wenn die Bild-Zeitung am 19. Juni zum exakt viertausendstenmal meldet: „BKA warnt: Frankfurt gefährlichste Stadt in Deutschland“: Es ist ein Mythos, es stimmt nicht wie so vieles, und eigentlich das meiste dessen, was an munterem Gerede über die „Räuberhöhle Frankfurt“ (Bild), die „Metropole“, die Drogentown und Kulturmeile Frankfurt/Main manifest wird, es ist von der „Regiopolis“ über die „sustainable City“ bis zu den „polyzentrisch organisierten Kernen“ (Dipl-Ing. Albert Speer, Ffm) der reine Quatsch.
Wieso solch zähe Legenden? Damit die konzeptionellen Köpfe der Stadt was zu erzählen haben, unschuldiges Papier vernutzen und weiter Lug und Ideologie in die Welt setzen können, nichts anderes ist ja ihr Geschäft. Jüngstes Beispiel des Frankfurter Selbstbeweihräucherungswahns: eine zum 175. Geburtstag der „Frankfurter Sparkasse 1822“ mehreren lokalen Tageszeitungen angelastete Beilage namens „Perspektive Zukunft“, in der 21 elaborierte Denker vom Main jeweils zwei Seiten inkl. Angeberfoto beanspruchen, um aufs farbenprächtigste den Verlust jeden Realitätssinnes zu demonstrieren.
J.-C. Ammann, Leiter des Museums für Moderne Kunst, preist die „einmalige Skyline von Wolkenkratzern“ und möchte seine Aufzählung „wunderbarer“ öffentlicher Kunstwerke „als Wegleitung“ begriffen wissen. Nicht mehr alle Synapsen in der Oberleitung scheint Flughafen-Boß W. Bender zu haben. Frankfurt sei „Standort für Weltbürger, ein Zentrum mit Profil“, mit „Idee“, „Ziel“, „Vision“, trotz des drohenden Zeitalters „redundanter Verkehrsträger“; während „in der weltoffenen, liberalen und anspruchsvollen Banken- und Handelsstadt“ (Prof. Buchberger, Violinist) und „in Zeiten, in denen engagierte Musiklehrer verzweifelt gegen den schwindenden politischen Rückhalt (...) zu kämpfen haben“ (ders.), dennoch „die nahezu perfekte Verkehrsanbindung“ der „Mainmetropole“ für weltweit absolute „Bestnoten“ (Dr. Engel, Druck- und Verlagshaus) sorgt; „es ist eine Stadt, deren Hotelier- und Kongreßwesen im europäischen Rahmen keinen Vergleich scheuen muß“ (Engel), sondern Frankfurt landet, wie Bild vergaß und Herr Markau von der Messegesellschaft ganz sicher weiß, „auf einem sehr guten Platz 5“ des „Rankings der Welt-Metropolen“. Es ist kaum zu glauben.
Bzw. völlig aus der Luft gegriffen, von vorne bis hinten. Frankfurt wurde zum Laboratorium widerwärtigster Innenstadt-Sicherheitspolitik umgebaut, der Rest: Tristesse, Langeweile und Eitelkeitsgemopse. Kein Wunder, daß die lange Reihe Frankfurter Wichtigkeitsdarsteller angeführt wird von Varieté-Chef und Ex-Joschka- Koenig-Bendit-Kampfgefährte Johnny Klinke, dessen ausgemachter Geschäftssinn in die klarste Geistesniedertracht übergeht, wo immer er sich als Phrasenstreuer betätigt: „Standort-, mehr noch Lebensfaktoren des Urbanen“ wie die „kulturellen Prachtbauten am Museumsufer“ mußten, quillt es ohne Scham aus ihm heraus, durch „Mäzenatentum mit unbürokratischem identitätsstiftenden Bürgersinn“ gestärkt werden, und da „in keiner deutschen Großstadt soviel internationale Energien versammelt sind“, sei es allerhöchste Zeit, „einen Klimawechsel zu inszenieren“, „eine international orientierte Debatte (...) wird“ – ja was? Raten Sie mit? Nein? Ich sag's: „wird die Perspektion (sic!) eröffnen für eine neue Balance zwischen...“ brumpfbrumpfbramm.
Wie sagt doch der wahrscheinlich wichtigste Mann des „global operierenden Finanzzentrums“ (OB P. Roth), Keltereiinhaber Günter Possmann, der mit dem irrtümlich als „Getränk“ eingestuften Appler sein eigenes und das Denkzentrum vieler anderer prominenter Frankfurter vernebelt? „Das ist der Stoff, aus dem die Perspektive Zukunft erwächst. (...) Dem Tapismus gehört keinesfalls die Zukunft.“
Tapismus. Tapismus? Na gut: Tapismus! Ahoi! Jürgen Roth
P.S.: Tapismus???
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