■ Die größte und teuerste Mission der UNO ist gescheitert: Die kambodschanische Tragödie
Zwei Wochen vor Beginn der Wahlen in Kambodscha ist überdeutlich, daß die bislang größte peace keeping mission in der Geschichte der Vereinten Nationen ein desaströses Ende nehmen wird. Der Einsatz der „United Transitional Authority for Cambodia“ (UNTAC) war schon politisch und organisatorisch schlecht vorbereitet; zusätzlich war er von dem Irrglauben getragen, die Roten Khmer, unter deren Herrschaft eine von rund sieben Millionen Kambodschanern zu Tode kam, hätten sich in die Menschenrechte liebende Demokraten verwandelt.
Dem ist nicht so. Täglich greifen vielmehr Kommandos der Roten Khmer, welche die Wahlen boykottieren werden, UN-Truppen an. Darüber hinaus massakrieren die Männer Pol Pots immer wieder in Kambodscha lebende Vietnamesen oder auch kambodschanische Zivilisten. Die mehr als 20.000 UN- Leute – laut Auftrag des Sicherheitsrates zur Neutralität und defensivem Vorgehen verpflichtet – haben dem Comeback der Massenmörder tatenlos zugesehen. Erst in den letzten Tagen gingen UN-Soldaten dazu über, bei Angriffen der Roten Khmer auch zurückzuschießen. Ansonsten betätigten sich viele Blauhelme vorzugsweise in den nunmehr zahlreichen Bordellen des ausgebluteten Landes.
Verantwortlich dafür, daß das Leiden der Kambodschanerinnen und Kambodschaner kein Ende nimmt, waren und sind die Regierungen Chinas und des Westens. Nach dem Sturz Pol Pots im Jahre 1979 haben diese Regierungen dafür gesorgt, daß die Herren der killing fields ihren UN-Sitz behalten konnten. China versorgte sie mit Waffen und Geld, Thailand gewährte ihnen Unterschlupf. Gemeinsam setzte die antivietnamesische Allianz durch, daß die Massenmörder am Friedensprozeß beteiligt und in den obersten Staatsrat aufgenommen wurden. Inzwischen ist das thailändische Militär eng mit den Roten Khmer liiert. Thai-Generäle verdienen Millionen Dollar durch den Handel mit den Roten Khmer. Pol Pot dirigiert – vom Thai-Militär auf einem Luftwaffenstützpunkt untergebracht – von Bangkok aus die Torpedierung der UN-Mission. Die westlichen Regierungen, die Thailand seit den sechziger Jahren als antikommunistische Bastion alimentiert haben, sind weder willens noch in der Lage, ihre Verbündeten in Bangkok dazu zu bringen, mit den Roten Khmer zu brechen.
Kenner der Roten Khmer haben immer darauf bestanden, daß sich die Ultramaoisten nicht funktionalisieren und einbinden lassen. Sie haben leider recht behalten. Und so ist die Bilanz der UNTAC schlicht niederschmetternd: Mehr als drei Milliarden US-Dollar hat ihr Einsatz gekostet. Ihre einziger Erfolg ist die Repatriierung der Flüchtlinge aus Thailand. Zu ordnungsgemäßen Wahlen wird es nur in Teilen des Landes kommen. Anschließend werden die Roten Khmer, die bereits die Wiederaufnahme des bewaffneten Kampfes propagieren, ihre Attacken verstärken. Spätestens nach dem Abzug der UNO wird der nunmehr dreißig Jahre währende Bürgerkrieg wieder voll aufflammen. Kambodscha wird ein zweites Angola oder Afghanistan werden; ein zerbrochenes, von traumatisierten Menschen bewohntes Land, in dem das Recht der Kalaschnikow gilt und das von seinen Nachbarn und deren kambodschanischen Stellvertretern weiter ausgeplündert wird – eine Tragödie ohne Ende. Michael Sontheimer
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