■ Die geplante Sommersmogverordnung dient dem Auto: Huster hinter Schloß und Riegel
Der Schattenumweltminister Günter Rexrodt war gestern in Dessau nicht dabei, als sich die große Mehrheit seiner Kolleginnen und Kollegen aus den Ländern für die Gesundheit der bundesdeutschen Autoindustrie in die Bresche warfen. Er kann aber mit dem Ergebnis zufrieden sein. In Deutschland gilt ein weiteres Jahr: Weil der Autoverkehr fließen soll, sollten (zumindest empfindliche) Bürgerinnen und Bürger hinter Schloß und Riegel bleiben.
Zugegeben: Es handelt sich um einen präventiven Selbsteinschluß. Auch bei Ozonalarm können Huster, das Risiko einer Körperverletzung in Kauf nehmend, das Haus jederzeit verlassen. Die Welt draußen war immer schon ein gefährlicher Ort für Alte, Kranke und Kinder. Deswegen können solch Empfindliche auch nicht darauf rechnen, das irgend jemand die stinkenden, rasenden Rüpel auf den Straßen bremst.
Im Bundesumweltministerium will man, daß Fahrverbote erst gelten können, wenn die Körperverletzung schon stattfindet. Erst wenn die Ozonwerte an mindestens drei Orten in der Republik fünfmal so hoch sind, wie der Mittelwert, den die in diesen Dingen zurückhaltende Weltgesundheitsorganisation (WHO) für zuträglich hält, sollen die ersten Täter zum Aufhören gezwungen werden.
Besonders ausdauernde Rüpel sollten aber, so meint die Bundesregierung, einen Freibrief erhalten. Wer nicht nur mal so aus Spaß aufs Gaspedal drückt, sondern planvoll und mit Vorsatz zur allgemeinen Vergiftung beiträgt und womöglich gar seine Existenz darauf aufgebaut hat, müsse in der Regel weiterstinken dürfen. Rexrodt zum Beispiel verlangt bei Fahrverboten Ausnahmeregelungen für Brummis, Kleinlaster, schadstoffarme Pkw, Berufspendler und Ferienreisende.
Der Ansatz der zahlreichen Sozialdemokraten ist wie so häufig ausgewogener: Den Hustern wird die Sympathie gezeigt, die Grenzwerte sollen niedriger sein. Gleichzeitig will man aber die Rüpel nicht allzu sehr gegen sich aufbringen. Wer trotz Tempolimit weiterrast, wird auch von SPD-Ministern nicht bestraft.
Selbst mit einer solchen Sommersmogverordnung hat also die Autoindustrie und haben ihre Kunden, die Autofahrer, den Kampf gegen die Gesundheit vorerst gewonnen. Ob der Grenzwert für die Mini- Fahrverbote künftig bei 240 oder 300 Mikrogramm liegt – die Körperverletzung hinter dem Steuer soll weiter legitim bleiben, wenn man nur einen Grund nachweisen kann. Dem Gesundheitsschutz wird wortreich Referenz erwiesen, er dient der Rechtfertigung symbolischer Politik. Und das Vorsorgeprinzip spielt bei der Entscheidungsfindung keine Rolle.
Der Streit in Dessau zeigt nur noch: Die Autogesellschaft ist politisch außer Kontrolle. Hoffentlich merken es möglichst viele. Hermann-Josef Tenhagen
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen