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Archiv-Artikel

Die geistige Leere der Konservativen KOMMENTAR VON DIRK KNIPPHALS

Günter Grass versucht möglichst viele Schriftsteller und Intellektuelle zur Unterstützung von Rot-Grün zu sammeln. Darüber kann man sich leicht lustig machen, die Initiative als 70er-Jahre-Revival oder als typische Selbstüberschätzung von Intellektuellen abtun. Allerdings hat die Grass-Kampagne funktioniert. Nicht nur alte Kämpen wie Klaus Staeck stehen diesmal auf der Unterstützerliste, sondern auch jüngere Autoren wie Juli Zeh oder Feridun Zaimoglu.

Das alles ist auch eine Werbemaßnahme der Schriftsteller in eigener Sache. Interessant ist aber die Frage, ob die Nochopposition auch so eine Initiative starten könnte. Das muss bezweifelt werden, und zwar nicht nur, weil die kulturelle Hegemonie noch immer im linksliberalen Lager angesiedelt ist. Vielmehr haben CDU und FDP ihre intellektuellen Hausaufgaben nicht gemacht. Das wird deutlich, wenn man sich das Verhältnis der beiden Lager zu ihren Basisüberzeugungen anschaut.

An den großen Erzählungen von Gleichheit und Sozialstaat arbeitet sich die Linke seit Jahren ab. Die Linkspartei ist das jüngste Ergebnis dieser Anstrengungen. Die Grass-Initiative ist der Versuch, die Trauerarbeit über den Verlust dieser linken Hoffnungen nicht in Protesthaltung umschlagen zu lassen. Dass Schwarz-Gelb sich ebenso ernsthaft über seine Grundannahmen verständigt, ist nicht zu sehen. Zwar wird hier gerade versucht, allerlei einzugemeinden: den Papst-Hype etwa, der mit der konservativen Erzählung von der Bewahrung der Tradition vereinbar wäre, und die Wirtschaftsgläubigkeit, nach der technischer Fortschritt und Liberalisierung Arbeitsplätze schaffen. Aber aus diesem Mix ergeben sich vor allem Probleme. Der Kölner Weltjugendtag mag noch mit längeren AKW-Laufzeiten vereinbar sein. Spätestens bei der Bioethik aber kommen sich Christentum und Technikgläubigkeit in die Quere. Der deutsche Konservatismus ist intellektuell so arm, weil er sich die Unvereinbarkeit seiner Basisüberzeugungen nicht klar macht.

Es ist also kein Zufall, dass es eine Intellektuellen-Initative für Schwarz-Gelb nicht gibt. Sie würde ein Versprechen formulieren, das Merkel, Westerwelle & Co nicht einlösen können.

kultur SEITE 20