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Die ganze Chose ist unbrauchbar

betr.: „Homo-Ehe light kommt“, taz vom 5. 10. 99

Wenn die längst überfällige Gleichstellung der lesbischen und schwulen Lebensgemeinschaften demnächst scheitert, dann ist zuletzt der dümmliche Begriff „Homo-Ehe“ nicht unschuldig daran. [...] Es geht doch schlicht und einfach darum, Menschen, die sich füreinander zuständig fühlen, gleiche Rechte zuzubilligen – nicht mehr und nicht weniger. Warum muss dieser Wunsch dann Ehe heißen? Warum muss dieser Wunsch auf lesbische und schwule Paare begrenzt werden? Mit Wissen um die Tatsache, dass nur noch die wenigsten Ehen halten, bis dass der Tod sie scheidet, hätte man diesen Begriff besser nicht verwendet. [...] Herbert Rusche, Frankfurt/Main

Die Grünen haben kein „Vermittlungsproblem“ bei der Homo-Ehe, sondern ein viel grundsätzlicheres: Die Lesben und Schwulen selber, die den ganzen Quatsch weder brauchen noch wollen und die Grünen deshalb nicht mehr wählen, weil sie so dafür trommeln. „Kennste die drei schlimmsten schwulen Krankheiten? – Gonorrhöe, Diarrhöe und Homöhe“ höhnt man neuerdings in den Darkrooms der Hauptstadt. Denn die ganze Chose ist unbrauchbar für die Lebenssituation der allermeisten Lesben und Schwulen, sie engt ein, diskriminiert und setzt alle nicht paarweise Lebenden unter gesellschaftlichen Legitimationsdruck. Aber die Grünen nennen's „Projekt der Moderne“. Reaktionäre Scheiße isses, mit Verlaub, und der Unterschied zwischen Homo-Ehe und Eingetragener Partnerschaft ist etwa derselbe wie zwischen gerührtem und gequirltem Dünnpfiff.

Deshalb laufen auch seit September zwei bundesweite Kampagnen gegen den Blödsinn, eine lesbische (getragen u.a. vom Lesbenring, der größten deutschen Lesbenorganisation) und eine vornehmlich schwule. Kann die taz natürlich nicht wissen, denn mit Feminismus und Emanzipation, Individualrecht und Unverheiratetenpolitik weiß sie so wenig anzufangen wie die neoliberalen Grünen.

Ihr Fixpunkt ist die bürgerliche Rechte, mal CDU, mal SPD. Dann soll'n se man auch schön aufs schwule und lesbische WählerInnenpotenzial verzichten. Die haben von Rot-Grün sowieso nur homophobe Sondergesetze zu erwarten. Eike Stedefeldt, Berlin

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