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Archiv-Artikel

Die ganz normalen Maussportler

Teams, die sich „Deutschlands kranke Horde“ nennen, ballerten am Wochenende im Cubix-Kino um den deutschen Meistertitel in Computerspielen wie „Counter Strike“. Es ging nicht nur um den Sieg, fast wichtiger war der Kampf um ein besseres Image

VON ANDREAS RÜTTENAUER

Das hat sich der Vater von Alexander Almenrood sicher anders vorgestellt. Als er 1994 seinen Rechner aus dem Büro zu Hause aufgebaut hat, hat er sich noch gefreut über das Interesse des damals 14-jährigen Alexander am neuen Gerät. Auch als der Sohn angefangen hat, sich seine Zeit mit kleinen Geschicklichkeits- und Strategiespielen zu vertreiben, freute sich der Papa noch. Dafür, dass sein Sohn heute täglich vier bis fünf Stunden von dem Rechner sitzt und ein Game namens „Battlefield 42“ spielt, dafür fehlt dem alten Herrn jegliches Verständnis.

„Dabei machen wir nichts anderes als andere Sportler auch, wir trainieren“, sagt der schicke junge Mann, dessen Äußeres so gar nicht dem Nerd-Klischee entspricht. Almenrood ist einer der besten Spieler in Deutschland. Sein Team „Mousesports“ gehörte zu den Favoriten beim Kampf um den Deutschen Meisterschaft, die an diesem Wochenende in Berlin ausgetragen worden ist, und hat sie letztlich auch gewonnen – in der Kategorie „Battlefield 42“.

Veranstalter ist die NGL, die Netzstatt Gaming League. Deren Pressesprecher Frederik Blachetta betont, dass die Spieler ganz normale Typen seien: „Der Alexander hat sogar eine Freundin“, sagt er.

Im Cubix-Kino am Alexanderplatz haben die Veranstalter die Rechner aufgebaut. Die ganz normalen, jungen Männer – Frauen waren nicht am Start – sitzen in Viererreihen nebeneinander vor den Bildschirmen und wirken auf den ersten Blick in der Tat unscheinbar. Doch das, was sie machen, hat es in sich. Sie fahren Panzer, werfen Granaten, fliegen Kampfeinsätze mit Flugzeugen oder ballern mit Maschinenpistolen. Bei „Battlefield 42“ spielen zwei achtköpfige Mannschaften um den Sieg, beim Egoshooter „Counter Strike“ wird fünf gegen fünf gespielt. „Das ist ja das Schöne, dass es wirklich ein Mannschaftssport ist“, erklärt Blachetta. Das Spielgeschehen wird auf eine Kinoleinwand übertragen. 350 Fans sitzen im ausverkauften Saal, die jede gelungene Aktion beklatschen. Wird einer besonders schön überfahren, lacht das Publikum. Ganz normale Typen.

Im Schatten der öffentlichen Aufmerksamkeit ist über die Jahre eine Szene entstanden, die sich selbst als eine große Sportbewegung betrachtet. Von dem was sich auf den großen LAN-Parties, Veranstaltungen bei denen bis zu 1.000 Spieler mitwirken, abspielt, drang immer wieder viel an die Öffentlichkeit. Vor allem „Counter Strike“, kurz CS, ein Spiel, bei dem fünf Terroristen und fünf Antiterrorkämpfer aufeinander einballern, hat einen schlechten Ruf. Robert Steinhäuser, jener Schüler, der im Erfurter Gutenberggymnasium zwölf Lehrer, zwei Schüler und einen Polizisten getötet hat, war leidenschaftlicher CS-ler. „Das Spielen dient doch eher zum Abbau von Aggressionen“, meint NGL-Sprecher Blachetta dazu. Und weiter: „Ich habe es noch nie erlebt, dass es während einer Veranstaltung zu körperlichen Auseinandersetzungen gekommen wäre.“

Nachdem sich die Szene in den letzten Jahren eher zurückgezogen hatte, hat sie mit der groß angekündigten Deutschen Meisterschaft am Wochenende den ersten Schritt in Richtung breite Öffentlichkeit getan. E-Sports soll gesellschaftsfähig werden. Sponsoren aus der Soft- und Hardwareindustrie haben die Zeichen schon erkannt. Insgesamt waren die Meisterschaften mit satten 65.000 Euro dotiert. Battlefield-Star Almenrood schwärmt von den USA und Korea, wo die Besten schon mehr als gut von E-Sports leben können. In China sei das Spielen am Computer schon als offizielle Sportart anerkannt. Die Szene hofft sogar, dass bei Olympia 2008 in Peking E-Sports als Demonstrationswettbewerb ins Programm aufgenommen wird.

Almenroods Team hat das Finale in „Battlefield 42“ beinahe mühelos erreicht. Auch das Endspiel gegen DkH (Deutschlands kranke Horde) konnten die Maussportler mit 270 zu 202 für sich entscheiden.

Und, um im Jargon zu bleiben, nach dem Game ist vor dem Game. Die Vorbereitung auf den Saisonhöhepunkt läuft am Montag an. „Mousesports“ fliegt im Sommer zum Finale der Cyber Pro League nach Las Vegas, um sich dort mit den internationalen Stars zu messen. Um sie kennen zu lernen, die anderen ganz normalen Typen.