: Die fütternde Hand beißen
betr.: „Preis nicht annehmen“ („Demokratie leben“) von Sabine am Orde, taz vom 6. 12. 99
Die Autorin moniert in ihrem Kommentar, die Annahme des Preises von „den Verursachern“ der schlechten Flüchtlingssituation, also der Bundesregierung, ändere gar nichts für die Flüchtlinge. Das mag sein, dennoch halte ich es für richtig, gerade diesen Preis anzunehmen, denn wer kann sich hiermit ein schlechteres Zeugnis ausstellen als die Bundesregierung selbst? In der Presseerklärung der Regierung heißt es, die geehrten Initiativen gäben Flüchtlingen, die nach der Gesetzesvorlage lediglich Gutscheine erhalten, durch Verfügung über Bargeld „ein Stück Menschenwürde“ zurück – die die Regierung selber beschnitten hat! Unglaubwürdiger kann sich eine Regierung doch gar nicht darstellen! Damit sollte der Flüchtlingsrat seine Öffentlichkeitsarbeit zu dem Thema „gestalten“. Denn manchmal muss man die Hand, die einen füttert, eben doch beißen. Zudem sollte man nicht vergessen, dass dieser öffentliche Preis zumindest eine Grundlage für den Umtausch von Gutscheinen in Bares und gegen die Einschüchterung und Kriminalisierung der Beteiligten bietet (s. Presseerklärung Pro Asyl vom 6. 12. 99). Was wäre mit einer Verweigerung des Preises für die Flüchtlinge gewonnen? Würde ein Eklat, der „niemanden kratzt“, ihre Situation verbessern? Judith Gleitze, Mitarbeiterin des Brandenburger Flüchtlingsrates
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