: Die „ewigen Nazis“ Argentiniens
■ Die Meuterei der Militärs kam nicht überraschend / Seit Wochen wächst der Unmut rechter Kräfte / Demonstration für die Freilassung verurteilter Offiziere
Die Militärrevolte in Argentiniens zweitgrößter Stadt Cordoba kam nach den Ereignissen der letzten Wochen nicht überraschend. Schon den März über hatte sich Argentiniens Rechte immer provokativer zu Wort gemeldet. Eine Vereinigung der „Angehörigen und Freunde der ungerecht Inhaftierten“ begann, unter der Parole „Es leben unsere ruhmreichen Offiziere!“ für die Freilassung der wegen ihrer Menschenrechtsverbrechen in den Jahren 1976 bis 1983 verurteilten Offiziere öffentlich zu demonstrieren. Hohe Offiziere mischten sich in die Diskussion, der Vizeadmiral der Marine Ramon Arosa erklärte, daß „die Marine niemanden aufgibt oder geringschätzt, der in der schwierigen Situation des Krieges gegen die Subversion seine Pflicht erfüllt hat“. Die Verteidiger des Vernichtungsfeldzuges, in dessen Verlauf die damals regierenden Militärs rund 30.000 Menschen „verschwinden“ ließen, zogen sogar auf die Plaza de Mayo in Buenos Aires, wo gerade die Mütter der Verschwundenen ihre wöchentlichen Mahnrunden drehten. Und auch die schon verschwunden geglaubten Todeschwadrone scheinen wieder in Aktion zu sein: Schüsse wurden auf das KP–Büro in der Hauptstadt abgegeben, dem Präsidenten des bundesgerichts wurde ein Sprengsatz vor die Haustür gelegt, und selbst vor dem Sitz des Generalstabschefs des Heeres explodierte ein Sprengkörper. Das Attentat gegen den Vertrauten Alfonsins war in Flugblättern so begründet worden: „Nein zur Kapitulation, wir kämpfen weiter für unsere Kameraden.“ Als Präsident Raul Alfonsin Ende Dezember das sogenannte „Schlußpunktgesetz“ vom argentinischen Parlament verabschieden ließ, deutete noch alles auf einen Pakt zwischen ihm und den Militärs hin. Ab dem 22. Februar 1987 sollten keine Verfahren wegen der Menschenrechtsverletzungen unter der Diktatur mehr eröffnet werden dürfen. Doch statt in den wenigen verbleibenden Wochen lediglich einige kosmetische Säuberungen vorzunehmen, hoben Argeniniens Richter kurzerhand die Gerichtsferien auf, arbeiteten die Nächte hindurch und hatten am Ende immerhin 216 neue Anklagen zustandegebracht. Für die „Mütter der Plaza de Mayo“ war das „lächerlich, weil die große Mehrzahl der Mörder nicht belangt wird“. Die neuen Verfahren lösten nichtsdestoweniger starke Unruhe im Offizierskorps aus. Von den jetzt Angeklagten befinden sich viele noch im aktiven Dienst, und auch niedrige Ränge blieben nicht verschont, die bis dahin noch einen rechtfertigenden „Befehlsnotstand“ erwartet hatten. Am 18.März - noch während Bundespräsident Richard von Weizsäcker auf seiner Lateinamerika– Reise bei ihm auf Staatsbesuch weilte - mußte Präsident Alfonsin Innenminister Antonio Troccoli und Verteidigungsminister Oracio Jaunarena zu einer Krisensitzung zusammenrufen, um einen drohenden Putsch zu verhindern. Eine generelle Amnestie lehnte vor allem der Verteidigungsminister ab: Sie wäre ein Kniefall der Demokratie vor dem militärischen Establishment und erst recht eine Einladung zum Putsch. Ende März fand Alfonsin selbst dann noch einmal starke Worte: In einer Rede nannte er diejenigen, die sich heute als „Kämpfer gegen die Subversion“ feierten und gleichzeitig Bomben legten, „die ewigen Nazis“.
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