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■ Die erste Fahrrad-Waschanlage der Welt steht in LageDuschkabine für Drahtesel

Lage (taz) – Schlicht, leer, ja fast verloren steht sie da, die „Weltneuheit“, gleich links am Eingang der Riesenverkaufsfläche in Hempelmanns Fahrradladen. Der befindet sich im ostwestfälischen Kleinstädtchen Lage bei Detmold. Die „Weltneuheit“ – das ist eine Duschkabine für Drahtesel (Foto). 001, die erste serienmäßige Fahrradwaschanlage der Welt, Deutsches Patentamt Nr. 43 25973. Ein PVC-Plattenbau mit Schiebetüren, vier Meter breit, 1,80 Meter lang, 1,70 Meter hoch. Ein Nürnberger Tüftler hatte den Prototyp der Waschanlage entwickelt.

„Hochgestellte Persönlichkeiten der Radbranche haben mich öffentlich für bekloppt erklärt“, erzählt Zweiradspezialist Dieter Hempelmann. Doch den kratzt das nicht im geringsten, denn „der Erfolg ist umwerfend“. Als erste Kunden sind die Kinder gekommen, erzählt er, mit fünf Mark Taschengeld, dann die Alltagsradler, viele Frauen darunter. Bei einigermaßen Wetter stünden manchmal ein Dutzend Leute Schlange.

Doch an diesem lausig-verregneten Samstag morgen will kein Mensch sein Rad entdrecken lassen. Deshalb hievt eine junge Hempelmann-Mitarbeiterin ein leidlich verschmutztes Demo-Rad in den Plaste-Käfig, stellt Vorder- und Hinterrad in eine Metallschiene, befestigt mit einem Bügel den Sattel, schließt die Schiebetüren und füttert den Münzautomat mit einer Wertmarke. Das Waschprogramm startet. Rotierende Bürsten auf der Schiene bearbeiten Felgen und Speichen ohn' Unterlaß, 16 kleine Düsen versprühen ein Waschkonserviergemisch (biologisch abbaubar), das kurz einwirken muß. Dann wuseln zwei große, rote Langhaarwedel – vor, zurück; vor, zurück – am Rad entlang. Dann wird der Drahtesel abgeduscht und kräftig mit Warmluft trockengefönt. Fünf Minuten hat die Prozedur gedauert. Nur am Kettenkranz muß noch der letzte Dreck per Hand entfernt werden.

280 Liter Wasser, mit einem Waschkonservierer vermischt, gehen für eine Fahrradwäsche drauf. Keine ökologischen Bedenken? Nein, die Waschanlage funktioniere im Kreislaufsystem, erklärt Meister Hempelmann: ohne Zulauf und ohne Abfluß. Für 400 bis 500 Wäschen reiche ein Waschkonserviergemisch, es werde immer wieder recycelt, aus der Auffangwanne in den Vorratstank zurückgepumpt.

Fünf Mark kostet die einfache Radwäsche, sieben Mark die Intensivwäsche. Als Einführungspreis. Später wird sich der Preis verdoppeln, denn die 60.000 Mark teure Investion für muß ja erstmal wieder eingewaschen werden.

Zweiradspezialist Hempelmann hat 20 Jahre Kommunalpolitik in Lage gemacht, saß im Umweltausschuß, war Vorsitzender des Planungsausschusses. „Die Planer denken nur an die Autofahrer, die Radfahrer bleiben auf der Strecke.“ Der 53jährige fordert von den Verkehrspolitikern verkettetes Denken, Visionen, Innovationen. Als Vorsitzender des Verbandes des Deutschen Zweiradhandels (VDZ) läßt er auch kein gutes Haar an der eigenen Zunft. „88 Prozent der Branche haben noch gar nicht kapiert, daß das Rad mittendrin in der innovativen Weiterentwicklung steckt.“ Soviel gäbe es noch anzupacken, die ständigen Platten, der mangelnde Fahrkomfort, die schwierige Montage. „Das ganze Umfeld des Fahrrads muß stimmen, auch das Säubern“, sagt der Rad-Trendsetter. Dabei hat er auch den „Herrn Rechtsanwalt“ und den „Herrn Arzt“ im Visier. „Wer macht denn deren Rad sauber? Kein Arsch!“ Pfiffikus Hempelmann glaubt felsenfest an die bahnbrechende Zukunft seiner „Weltneuheit“: „In fünf Jahren wäscht kein Mensch mehr sein Rad per Hand.“ Günter Ermlich

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