: Die beiden Kims können sich nicht einigen
■ Die südkoreanischen Oppositionsführer Kim Dae Jung und Kim Young Sam gestehen öffentlich ein, daß keiner von beiden auf die Kandidatur bei den für Dezember erwarteten Präsidentschaftswahlen verzichten will / Ist die Regierung der lachende Dritte?
Seoul(ap/dpa) - Zwei Tage vor Ablauf einer selbstgesetzten Frist haben die südkoreanischen Oppositionsführer Kim Dae Jung und Kim Young Sam am Dienstag in Seoul erklärt, daß sie sich nicht darauf einigen können, wer von ihnen als Präsidentschaftskandidat antreten soll. Bei den für Dezember erwarteten Präsidentschaftswahlen steht der Opposition der Vertreter der Regierungspartei, Roo Tae Woo, gegenüber. Ohne die üblichen Höflichkeitsfloskeln teilten sie in einer gemeinsamen Erklärung mit: „Wir haben über eine Frage der Einzelkandidatur mehr als zwei Stunden lang gesprochen, konnten uns aber nicht einigen. Wir bedauern dies gegenüber Volk und Parteimitgliedern zutiefst.“ In Interviews, die die Kontrahenten nach der Begegnung der Zeitung Dogna–a–Ilbo gaben, wurde deutlich, wie tief der Graben zwischen den beiden in Wirklichkeit ist. So versuchte Kim Young Sam seinen Konkurrenten offenbar mit dem Argument zum Aufgeben zu bewegen, daß seine Kandidatur zu Unruhen führen und Widerstand von Seiten des Militärs hervorrufen könnte: „Ich habe ihm gesagt, die Wahlen sollten in einer Atmosphäre der Stabilität abgehalten werden und daß es deshalb nur vernünftig wäre, wenn ich kandidiere.“ Kim Dae Jung dagegen berief sich auf sein höheres Alter - nach Konfuzius ein gewichtiges Argument - und auf seinen größeren Rückhalt in der Bevölkerung: „Ich kann mich über den glühenden Wunsch des Volkes nicht hinwegsetzen. Wenn ich das täte, würde ich die Menschen verraten“, sagte er laut Dong–a–Ilbo. Die beiden Kims, wie die Politiker der Einfacheit halber genannt werden, waren schon einmal gegeneinander angetreten - vor den Präsidentschaftswahlen 1980, die dann durch das Militär verhindert wurden. 1971 hatte sich Kim Dae Jung auf einem Parteikonvent überraschend gegen Kim Young Sam durchgesetzt und unterlag bei den folgenden Präsidentschaftswahlen nur knapp gegen Diktator Park Chung Hee. In den letzten Jahren hatten sich beide aus Gründen der politischen Vernunft zum gemeinsamen Kampf gegen die Diktatur zusammengetan. Nach der Ankündigung von Demokratisierungsmaßnahmen durch die Regierung Ende Juni hatten sie versprochen, sich intern zu einigen, wer von ihnen im Fall von Wahlen als Kandidat antreten werde. Das äußerst heterogene außerparlamentarische Aktionsbündnis NCDC hat es in den vergangenen Wochen ebenfalls bewußt vermieden, sich auf einen der beiden Kims festzulegen, jedoch immer wieder die Notwendigkeit zur Einigkeit gegenüber der Diktatur betont. Falls die Kandidatenfrage bis zum 5. Oktober nicht geklärt ist, will NCDC die beiden mit Massendemonstrationen zum Einlenken zwingen. Obschon sich die beiden Kims ideologisch nur vage unterscheiden, werden sie von sehr unterschiedlichen Schichten und Regionen unterstützt. Kim Dae Jung kommt aus der vernachlässigten Cholla–Provinz im Südwesten und gilt wegen seiner langen Leidensgeschichte als besonders vertrauenswürdig in Sachen Demokratie. Informelle Meinungsumfragen wie auch seine kürzliche Reise durch verschiedene Provinzen zeigen, daß er vor allem bei der einfachen Bevölkerung der entsprechenden Gebiete enorm populär ist. Kim Young Sam aus der traditionell führenden Südöstprovinz Kyongsang gilt als erfahrenerer Politiker, der eventuell als Stimmenfänger gegen die Diktatur auch im bürgerlichen Lager erfolgreicher wäre. Die Kontrahenten, die sich ideologisch beide zwischen konservativ und gemäßigt sozialdemokratisch einordnen, wollen jetzt mit ihren Beratern über das weitere Vorgehen verhandeln. Es könnte auch ein Parteitag der Demokratischen Gerechtigkeitspartei den Kandidaten küren. Allerdings sind aufgrund des langen Politikverbotes für Kim Dae Jung dessen Anhänger in der Partei unterrepräsentiert.
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