■ Die anderen: Die russische "Nesawissimaja Gaseta" kommentiert mögliche Auswirkungen des Balkan-Konflikts aus die russische Außenpolitik / "Corriere della Sera" kritisiert die falsche Politik der Nato / "Pravo" sieht auch Schwierigkeiten
Die russische „Nesawissimaja Gaseta“ kommentiert mögliche Auswirkungen des Balkan-Konflikts auf die russische Außenpolitik: Nach dem Abschluß der Balkan-Krise dürfte Moskau einige Aspekte seiner Außenpolitik wesentlich korrigieren müssen. Wahrscheinlich wird die politische Annäherung an die orientalischen Großmächte Indien und China rascher erfolgen. Zudem ist es durchaus nicht ausgeschlossen, daß die Initiative zum Aufbau einer Union Rußland/Weißrußland/Jugoslawien in irgendeiner Form verwirklicht wird. Zumindest gibt es dafür einen formalen Anlaß, denn die Bitte Jugoslawiens wurde nicht abgelehnt, sondern erfuhr eine wenn auch zurückhaltende Billigung sowohl in Moskau als auch im in dieser Hinsicht optimistischeren Minsk.
Der Mailänder „Corriere della Sera“ kritisiert die falsche Politik der Nato: Der Kosovo-Krieg bringt, ganz abgesehen von seinem Ergebnis, zwei Lehren mit sich. Er zeigt erstens, daß ein Luftkrieg unsichere und zweideutige Ergebnisse mit sich bringt. Um zu gewinnen und seine eigenen Bedingungen durchzusetzen, muß man das Leben der eigenen Soldaten riskieren, muß man das feindliche Gebiet besetzen.
Der Krieg zeigt zweitens, daß die Welt zu kompliziert geworden ist, als daß eine Koalition von Staaten, so stark diese auch sein mag, in einer so wichtigen Region der Welt einseitig und allein agieren kann, ohne Verdacht und Feindseligkeiten anderer Mächte zu erregen. Die Nato hatte vernünftige und gerechtfertigte Ziele. Aber sie hat die Sünde der Arroganz begangen. Sie hat Rußland ignoriert und die UN vernachlässigt.
Auch die tschechische „Pravo“ meint, daß die Schwierigkeiten nun erst richtig beginnen: Möglicherweise verschwinden jetzt die donnernden Flugzeuge der Allianz über Serbien, und friedliche Stille tritt an die Stelle von explodierenden Bomben. Sicher ist das aber nicht. Denn nichts ist trügerischer, als die Rechnung ohne den Wirt zu machen – und das gilt gerade für den Balkan. Interessiert sich in Brüssel überhaupt jemand für den zu erwartenden Exodus der Serben aus dem Kosovo und für den Verlauf dieser Vertreibung? Die Nato erkennt jetzt, daß es schwieriger ist, Frieden auf dem Balkan herzustellen, als einen Krieg zu gewinnen. Die Minen unter der Zukunft der Region werden noch lange scharf sein – und der Krieg um das Kosovo ist längst nicht zu Ende.
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