piwik no script img

■ Die anderenDie "Liberation" über das eingeschränkte Fahrverbot in Paris wegen Smogalarms / Die "Nesawisimaja Gaseta" über Jelzins Absichten, das Parlament aufzulösen / Der "Figaro" über die Erklärung der französischen Bischöfe

Die Pariser Zeitung „Libération“ kommentiert das eingeschränkte Fahrverbot in Paris wegen Smogalarms: Schritt für Schritt wird das Auto zivilisiert. Aber man muß es dafür überwachen und gegebenenfalls bestrafen. Natürlich ist das Erwachen ein wenig brutal. Nachdem jahrzehntelang nichts getan wurde, holen die öffentlichen Verwaltungen, von der öffentlichen Meinung angetrieben, plötzlich auf. Wie Umweltministerin Dominique Voynet unbefangen eingestanden hat, ist es nicht sicher, daß das Fahrverbot für die Hälfte der Fahrzeuge (genaugenommen für ein Drittel angesichts der Ausnahmen) das Sesam-öffne- dich für eine reine Luft ist. Wirksamer wäre ein feineres und direkteres Zurückgreifen auf die wahren Verschmutzer. Doch die Offenherzigkeit der Ministerin ist möglicherweise vorgespielt: Sie weiß, daß sie sich mit der plötzlichen Umsetzung einer unpopulären Maßnahme gegenüber den am meisten betroffenen Lobbies in einer besseren Ausgangslage befindet.

Die Moskauer „Nesawisimaja Gaseta“ analysiert, daß Jelzin die Auflösung des Parlaments erwägt: Die „Herbstoffensive“ des Präsidenten gegen die Duma scheint ein vorbeugender Schlag im Hinblick auf den den schon lange von der linken Opposition angekündigten Feldzug gegen die Staatsmacht zu sein. Nach den Worten von Kommunistenchef Gennadi Sjuganow sind die von Jelzin angeschlagenen Töne von den Führern der Opposition aufgenommen und an die Wähler weitergeleitet worden. Die beleidigte Pose Sjuganows kann nur eins bedeuten: Die Opposition hat Jelzins Herausforderung angenommen und ist darauf vorbereitet, jedenfalls moralisch, daß die Duma schnellstmöglich aufgelöst wird. Jelzin erwägt ernsthaft die Auflösung der unteren Parlamentskammer.

Der Pariser „Le Figaro“ begrüßt die selbstkritische Erklärung französischer Bischöfe zur Rolle der Kirche während des Holocausts: Im Vorstoß der französischen Bischöfe gab es gestern abend eine Doppelbedeutung. Zunächst ging es darum, die Wahrheit zu sagen über die Haltung des Episkopats zur Zeit der Besatzungszeit. Schließlich darum, von dieser Reuehaltung zu profitieren, um sich zu den Beziehungen zwischen Christen und Juden zu befragen. Denn diese Frage schüttelt die katholische Kirche seit den Nachkriegsjahren; Johannes Paul II. schließlich möchte – das ist kein Geheimnis –, daß Christen und Juden versuchen, diese uralte Wunde vernarben zu lassen. Die gestrige Demarche ist ein bedeutender Schritt in diesem Sinne. Diese Reue übersteigt bei weitem die problematische Haltung der Bischöfe während der Besatzung. Sie schneidet eine der zentralen Fragen dieser merkwürdigen Welt an: die Beziehungen zwischen Judaismus und Christentum seit 2.000 Jahren.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen