Die anderen:
Über Ex-Bundeskanzler Helmut Kohl schreibt die britische Zeitung The Independent: Wenn sich der Pulverdampf verzogen hat, dann wird dieser Skandal Kohls Platz in der Geschichte nicht so verändert haben, wie manche jetzt denken. Selbst die positivsten „großen Männer“ haben große Fehler. Wir sind erschüttert über das, was Churchill einst über De Gaulle geschrieben hat oder wie Roosevelt zynisch manövrierte. Jetzt sind die großen Fehler von Helmut Kohl, der in jeder Weise ein großer Mann ist, enthüllt worden. Gemessen an „großen Männern“ der Vergangenheit sind sie kaum schockierend. Ganz besonders, wenn man sie gegen seine Verdienste stellt: Er hat die Konsolidierung Westdeutschlands zu einer reifen Demokratie gelenkt, hat die Chance der friedlichen Wiedervereinigung ergriffen, hat 17 Millionen neuer Bürger, die zuvor nie Demokratie erlebt hatten, in die Bundesrepublik integriert, und er hat Deutschland fest in die größeren Strukturen der europäischen und transatlantischen Zusammenarbeit eingebettet.
Die polnische Tageszeitung Gazeta Wyborcza kommentiert die Parteispendenaffäre der CDU: Das Ende von Kohl ist nicht nur die Niederlage eines Menschen, sondern auch der Bankrott eines „Systems“. Niemand rüttelt an seinen Verdiensten, niemand verdächtigt ihn, sich illegal bereichert zu haben. Aber es ist eine Tatsache, dass er ohne Skrupel regierte. Und es ist eine Tatsache, dass der Mann, der fünf Mal die Treue zur Verfassung schwor, gleichzeitig das Gesetz brach. Dennoch ist Kohl nicht allein. Politische Parteien brauchen Geld, um zu funktionieren. Sie nehmen es, woher und wie es kommt. So die „Familie“ Jelzin, so die italienischen Christdemokraten nach dem Modell des Sozialisten Craxi. Kohl geriet also nicht als Erster über Geld ins Rutschen und stürzte nicht als erster vom Podest. Aber Kohl stürzte als Erster so tief.
Zum Tod von Bettino Craxi meint die spanische Zeitung La Vanguardia: Der italienische Sozialist Bettino Craxi gehörte wie der Christdemokrat Helmut Kohl zur großen Zahl von Politikern, die über die Parteienfinanzierung stolperten. In Spanien trifft dies auf den Ex-Regierungschef Felipe González zu. Die drei Politiker hatten die Politik ihrer Länder in den 80er-Jahren beherrscht. Craxi war die Hoffnung des modernen Italien, Kohl vereinigte Deutschland, und González vollzog einen tief greifenden Wandel in Spanien. Die illegale Parteienfinanzierung war im Kalten Krieg überall üblich gewesen. Mit Craxis Tod ging auch eine Ära zu Ende.
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