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Die Zukunft ist überbelichtet

■ Im Metropolis hat Florian Flickers Film Halbe Welt Premiere

Auch die Zukunft altert. Zumindest altern die Vorstellungen von ihr. Erinnern wir uns: frühe 80er Jahre. Damals ging in der Zukunft nichts mehr, im Kino liefen Endzeitfilme, in denen die Menschen verschreckt durch die Trümmer der technischen Zivilisation huschten. Irgendwann in dieser Phase muß sich Florian Flicker vorgenommen haben, einen Science-fiction-Film zu drehen. Mit der Ausführung hat er dann allerdings gewartet, bis sich ein Fenster zum All, bis sich das Ozonloch öffnete. Die Sonne, dies ist die eine Ausgangsidee seines Film Halbe Welt, ist zur lebensbedrohenden, zur todbringenden Gefahr geworden.

Die Sonne brennt, die Menschen flüchten. Wie die Vampire leben sie, nachts, unter der Erde. Der Film setzt ein mit Bildern vom Berufsverkehr – früher Morgen, es ist noch dunkel, und man erwartet die üblichen Szenen eines beginnenden Tages. Es ist aber der Feierabendverkehr, alle fahren nach Hause, um tagsüber zu schlafen. Dann geht die Sonne auf, mit solcher Gewalt, daß sie nicht nur das Leben verdrängt, sondern auch schöne Kameraeinstellungen; die bei Sonnenlicht spielenden Szenen sind alle überbelichtet.

Überbelichtet ist aber leider auch die Story. Denn Florian Flicker hatte noch eine zweite Ausgangsidee: daß die Menschen in der Zukunft sich zurücksehnen werden nach schönen Sommertagen, nach romantischen Sonnenuntergängen; daß darüber hinaus die Bilder solcher Idyllen – als Poster, als Postkarten, im Fernsehen – von einer allmächtigen Firma namens Luna vermarktet werden; und daß drittens bei einigen Menschen die Sehnsucht nach der Sonne stärker ist als die Todesangst und jedes Monopol. So kommt die Handlung in Gang. Die einen verbrennen sich in der Sonne, andere klauen Kitschpostkarten, die wieder andere bewachen, und Dany Levi dealt mit ihnen wie heutzutage ein Kleinkrimineller mit Heroin. Bei Überbelichtungen wirkt eben alles etwas grobschnitthaft.

Das Schlußbild des Films aber ist klasse. Da fährt Maria Schrader mit einem Freund in einem Cabrio der Sonne entgegen. Aufbruch, Fahrtwind, Freiheit, nur ist eben die Sonne nicht mehr wie in den Road-movies. Die Sonne brennt. Es wird die letzte Fahrt der beiden sein. Maria Schrader heißt in dem Film übrigens Sunny. Dirk Knipphals

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