: Die Zukunft der Ausländerstipendien
■ PDS will Kosten weiter tragen / Ministerium für Bildung will sich für Finanzierung der ausländischen Studenten einsetzen
Ja, ja es sind lausige Zeiten für unsereinen. Nicht nur, daß in absehbarer Zeit alles teurer werden wird. Bleibt die Allianz bei ihren Wahlandrohungen, dann ist es mit dem Stipendium für Studenten in seiner Höhe von heute bald vorbei, von den anderen „Sozialleistungen“ gar nicht zu reden. Wer sich jetzt so richtig mies fühlt, kann sich zumindestens daran aufrichten, daß für eine Gruppe von Kommilitonen - den ausländischen Studenten - alles noch trüber ausschaut.
Die größte Gruppe unter ihnen stellen nach wie vor die Studis aus dem RGW. Sie sind aufgrund von bis einschließlich 1990 ratifizierten Regierungsabkommen hier, das jedenfalls noch gelten wird, bis jene, die schon hier studieren, ihren Abschluß machen. Wenn es nicht den Haken mit den Stipendien und der Währungsunion gäbe.
Die Stipendien übernehmen nach den RGW-Vereinbarungen die Entsendeländer; die DDR garantiert nur die kostenfreie Ausbildung und Unterbringungsmöglichkeiten. Wird hierzulande die harte Mark eingeführt, ist die Stipendienzahlung durch unsere chronisch devisenschwindsüchtigen ehemaligen Bruderländer zumindestens fraglich.
Studenten aus Entwicklungsländern studieren in der DDR meist auf der Basis bilateraler Verträge, so mit Nicaragua oder Äthiopien. Die Stipendien zahlt zumeist das Solidaritätskomitee.
Auch die PDS trägt etliche Studenten finanziell, die über Vereinbarungen der alten SED mit Partner- oder befreundeten Organisationen zu uns kamen. Gleiches gilt für den FDGB. Daß ist Vergangenheit, jeder dieser Stipendienträger steht nun mit seinen Finanzsorgen allein im Regen.
Wir fragen die PDS. 340 Studenten trägt die Partei momentan landesweit. Auf die Frage, ob die PDS, solange DDR-Mark und
-Recht noch gelten, weiterzahlt, antwortet Herr Germann von der Kommission internationale Politik: „Ich sehe aus meiner Sicht da gegenwärtig keine Probleme.“ Die 1258 Mark pro Stipendiat und Monat (Gesamtaufwendungen) sind also weiter sicher. Bis ... ja wie lange noch? Was mit dem Parteivermögen nach der Währungsunion passiert, wie sehr die SPD versuchen wird, die Nachfolgerin der alten SED zu beerben, um Anteile vom Eigentum zu bekommen ist nicht abzusehen. Nach der Pressemitteilung des Ministeriums für Bildung vom 14. 3. 90, das allen derzeitigen ausländischen Studenten den Abschluß in der DDR zusichert, sieht sich die PDS ihrer Verantwortung für ihre Studenten nicht enthoben. Immerhin erhofft man sich im alten ZK-Gebäude von den an den Staatshaushalt überwiesenen drei Milliarden Mark aus dem alten SED-Vermögen einen positiven Einfluß auf die Finanzsituation ihrer Schützlinge.
Wir fragen weiter. In der polnischen Botschaft antwortet der zuständige Botschaftsrat. Sein Warschauer Ministerium lehne eine koreanische Lösung für ihre Auslandsstudenten kategorisch ab und wolle unter allen Umständen einen Abschluß der polnischen Studenten auch nach der Währungsunion hier im Lande erreichen. Stipendien zu den alten Bedingungen seien sicher. Über Zahlungen in DM werde bereits auf Ministerebene verhandelt. Und man wolle auch auf jeden Fall den Studentenaustausch erhalten, wenn auch in Zukunft mehr Germanistik-Studenten kommen sollen und weniger Studenten für Ausbildungseinrichtungen, die man im eigenen Lande in gleicher und besserer Qualität habe. Zum Stand der Verhandlungen kommt dann nichts Konkretes. Aber die neuen Studienkandidaten für September 90 hat die Botschaft schon angemeldet (80 Direkt- und 17 Teilstudenten).
Man scheint hier optimistisch zu sein, auch wenn vom Ministerium für Bildung noch keine Bestätigung vorliegt.
In der ungarischen Botschaft erfahren wir ähnliches. Offenbar ist Botschaftsrat Janos Szepesi aber beim Blick in die Zukunft doch eher skeptisch. Von der Pressemitteilung des Ministeriums weiß er, fragt sich aber trotzdem, ob Ungarn nicht bald für die Ausbildungskosten seiner Studenten aufkommen muß. Und auch das Wort „zurückschicken“ fällt. Seine neuangemeldeten Studenten sind ebenfalls nicht bestätigt. In Ungarn wurde zudem auch gerade erst gewählt und so ist eine Stellungnahme der neuen Regierung erst in einigen Wochen zu erwarten. Allerdings sieht der Botschaftsrat bei der immer stärkeren Anlehnung der ungarischen Wirtschaft an deutschsprachige Länder einen realen Interessenhintergrund für eine Weiterführung des Studentenaustausches. Irgendwelche Verlautbarungen hinsichtlich eines vorzeitigen Abbruches der Ausbildung ungarischer Studenten gibt es aus Budapest vorerst nicht. Solange die DDR-Mark gilt, bleibt jedenfalls alles beim alten.
Nächste Station ist die bulgarische Botschaft. Um die Stipendien aus Sofia kochte die Gerüchtesuppe am heftigsten. „Zur Zeit keine Probleme“, antwortet Stefan Kanzew, Leiter der Abteilung Kader- und Jugendfragen. Weitergebohrt kommt dann doch Alarmierendes. Im Falle der Währungsunion will man den Studenabschluß für das 4. und 5. Studienjahr irgendwie finanzieren, der Rest wird wohl die Koffer packen müssen. Für diese wären aber Studienplätze daheim gesichert. Da aus dem Ministerium in Sofia bis jetzt offiziell nichts verlautete, ist diese Zusage sicher mit Vorsicht zu genießen. Ein Zuschuß zum Stipendium für steigende Wohnheimmieten ist nicht vorgesehen, eher Kürzungen für die, die bleiben dürfen. Kanzew wünscht sich für die Zukunft Teilzeitjobs für seine Studenten, um deren Finanzsorgen zu beheben.
In der Abteilung Ausländerstudium der Humboldt-Universität weiß man zur Zukunft der Ausländerstipendien auch nicht viel Konkretes. Keiner der bisherigen Stipendienzahler, hat sich hier bisher gemeldet. Von Michael Otto erfahren wir allerdings, daß zum Beispiel Kuba seine Studenten bewegt, „freiwillig“ nach Hause zurückzukehren. Er weiß auch von einem Millionenmanko in der Kasse des Solidaritätskomitees für Bildungszwecke. Immerhin seien die Wohnheimplätze, die noch dem Verantwortungsbereich der Uni unterstehen, für ausländische Studenten weiter gesichert.
Das Ministerium für Bildung erklärt: „Wir werden die Ausbildung und Unterbringung unserer ausländischen Studenten zu den gleichen Bedingungen sichern, wie bisher, egal was für Subventionen vielleicht zusätzlich notwendig werden.“ Herr Gomille von der Abteilung Auslandsstudium/Ausländerstudium argumentiert mit bisher bekannten Fakten. Rechtlich verbindliche Verträge müsse auch eine neue Regierung einhalten. Gomille betont, daß Probleme im Zuge der Währungsunion auf keinen Fall auf dem Rücken der Studenten ausgetragen werden dürfen. Den überraschend großen Druck der Öffentlichkeit, den Studentenaustausch überhaupt zu erhalten, empfindet man hier eher positiv und fühlt sich für die jetzigen ausländischen Studis zusätzlich in die Pflicht genommen.
Uwe Tigör
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