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Die Wutbürgerinnen Jolly GoodsWir sind das Walross

Das hessische Schwesternduo Jolly Goods geht auf Tour und zeigt Pop in bester Riot-Grrrl-Tradition. Statt mit Geschlechterdifferenz beschäftigen sie sich jetzt mit der Riesen-Robbe.

Auf Bandfotos posieren die beiden Musikerinnen oft mit Bärten oder im Bikini mit Achselhaar. Bild: Noam Rosenthal

"Her.Barium", das Debütalbum der Jolly Goods beginnt mit einem infernalischen Schrei: "Some said I was a freak / I am a freak …" Damit gelang dem Duo, das aus den Schwestern Angy und Tanja Pippi besteht, das Kunststück, einen Song von The Jesus & Mary Chain wütender und energetischer klingen zu lassen als im Original.

Eine Leistung, zumal die beiden Schwestern aus der nicht gerade für seine Wutbürger bekannten hessischen Provinz stammen. Die mitreißende Wut der Jolly Goods erinnert an die Punkhaltung der Riot-Grrrl-Bands aus den Neunzigern. Diese vermischten schneidende Gitarrenriffs mit emanzipatorischen Texten und inszenierten sich dabei mal bewusst politisch, mal selbstironisch oder scheinbar naiv, um so zu versuchen, gängige weibliche Klischees aufzubrechen.

Auch die Jolly Goods nutzen die Inszenierungsmöglichkeiten von Pop, um mit Geschlechterzuschreibungen zu spielen. Das zeigt zum Beispiel das Video zu ihrer Single "Try" aus dem 2011 veröffentlichten, zweiten Album "Walrus". Dort bewegt sich ein Mann in perfekter Synchronisation zur Stimme Tanja Pippis, während die Kamera langsam über seine Beine und den tiefen Ausschnitt fährt. Auf Bandfotos posieren die beiden Musikerinnen oft mit Bärten oder im Bikini mit Achselhaar.

Am Sound hat sich auf "Walrus" wenig verändert - immer noch fußen die Songs der Jolly Goods auf Gitarrenriffs und Drums -, doch die Band stimmt die einzelnen Elemente ihrer Musik inzwischen besser aufeinander ab. Dadurch wirkt ihr Sound dynamischer, ohne der in ihr transportierten Wut Abbruch zu tun.

Eine schwergewichtige Robbenart

Im bemerkenswert stürmischen Song "Travel", der entfernt an die Riot-Grrrl-Hymne "Rebel Girl" von Bikini Kill erinnert, schaffen es die beiden Musikerinnen, mit dem geschickten Einsatz von Gitarrenriffs und preschenden Drums eine Wirkung zu erzeugen, die mehr mitreißt als manch clever durchkomponierter Popsong. Das liegt nicht zuletzt am nuancierten Gesang.

Schön ist auch, dass sich vielschichtige kompositorische Ansätze finden, Folk-Elemente etwa, die das Songwriting betonen und den Rhythmus in den Hintergrund rücken lassen. Das verschafft den Songtexten mehr Raum. So zum Beispiel beim Song "If I Were A Woman", in dem es heißt: "All I know is that I / Wish I was a walrus". In einem kunstvoll dazu arrangierten DIY-Video schlängelt sich eine Frau in einer Badewanne, um sich ganz sinnbildlich in die Rolle dieses Walrosses zu versetzen.

Tanja Pippi, die inzwischen Kunst studiert, überträgt ihre feministische Sichtweise auch auf andere Medien. Auf ihrer Internetseite www.flickr.com/people/tanja_pippi/ veröffentlicht sie Fotografien und Zeichnungen, die sich mit der Geschlechterdifferenz und dem Körperbild der Frau beschäftigen. Spätestens an dieser Stelle stellt sich die Frage, ob der Nachname Pippi vielleicht an die feministische Schweizer Videokünstlerin Pippilotti Rist angelehnt ist. Die Musikerinnen von Jolly Goods haben sich für ihr Leben schon eine ganze Reihe von Geschichten erfunden. Gerade verkörpern sie weder Tanja Pippi und Angy noch Männer in Achselhemden - sondern eben eine schwergewichtige Robbenart.

Live 1. 2. Dresden, Scheune; 2. 2. Hamburg, Hafenklang; 3. 2., Hannover, Café Glocksee; 4. 2. Ludwigshafen, Das Haus; 5. 2. Darmstadt, Künstlerkeller; 6. 2. München, Orange House; 7. 2. Ulm, CAT

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