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Archiv-Artikel

Die Wüste soll leben KOMMENTAR VON DOMINIC JOHNSON

Klimawandel begünstigt die Ausbreitung von Wüsten. Mit diesem Hinweis beginnt das UN-Umweltprogramm seine Kampagne in Algeriens Hauptstadt Algier. Denn vor allem die empfindlichen Ökosysteme an den Rändern der Sahara sind gefährdet – die Küstenzonen Nordafrikas und die Sahelregion am Südrand der Wüste.

Hier ist die Armut immens, die Bevölkerung wächst schnell, und viele Einwohner suchen ihr Heil in der Auswanderung nach Europa. Wer diesen „Migrationsdruck“ lindern will und dafür auf eine bessere Entwicklung in Afrika setzt, muss daher auch die globale Umweltpolitik effektiver gestalten.

Die Politik, die Europa jetzt allerdings gegenüber der Sahara-Region verfolgt, ist dafür nicht geeignet: Grenzen dicht, dafür weiterhin Zerstörung der Landwirtschaft durch subventionierte europäische Exporte. Entwicklungshelfer setzen zwar auf Anti-Erosions-Programme, Wiederaufforstung, Brunnenbohrungen. Doch die Strukturen, die Millionen von Menschen in die Armut treiben, bleiben unangetastet.

Zugleich werden die Menschen eingezäunt: Europa hält nordafrikanische Regierungen an, überdimensionierte Programme zur militärischen Absicherung ihrer Südgrenzen aufzulegen, um Migranten und Flüchtlinge zu stoppen – mitten in der Sahara. Die Mühe ist wohl vergeblich. Die Menschen erinnern sich noch gut an die alten Karawanenrouten und auch an den überlieferten Ruhm verschwundener Königreiche und der mittelalterlichen Weltstadt Timbuktu, zu der einst europäische Wissenschaftler andächtig pilgerten. All das ist heute Vergangenheit – und lässt die Region in der Gegenwart umso weniger lebenswert erscheinen.

Ein ökologisch und politisch verantwortungsvoller Umgang mit Wüsten muss – wie jede vernünftige Politik – von den Lebenserfahrungen der dortigen Bevölkerungen ausgehen. Historisch konnte die Sahara nur durch Fernhandel, durch größtmögliche Mobilität und Exportorientierung für ihre Bewohner zu einem lebensfähigen Wirtschaftsraum gestaltet werden. An beides müssen die Menschen in Mali und Niger, Mauretanien und Algerien, Libyen und Tschad wieder anknüpfen können. Selbst wenn dies den europäischen Migrationsstrategen nicht passt.