Die Wochenvorschau vonSusanne Messmer: Nüchtern bleiben trotz Gemütlichkeit
Wussten Sie, dass der Begriff der Gemütlichkeit – eine jener Vokabeln, die auch im Ausland als ausgesprochen deutsch empfunden werden – erst im Biedermeier seine heutige Bedeutung von träger Wärme und Geborgenheit bekam? Vor dem Biedermeier meinte man eher Herzlichkeit, wenn man von Gemütlichkeit sprach.
So oder so sind wir nun voll in jener Zeit angekommen, in der es gemütlicher zugeht in dieser Stadt als im ganzen Jahr zusammen. Man kann sich auf den diversen Weihnachtsmärkten mit Grog und Glühwein die Sinne vernebeln, man kann weiter fröhlich Türchen öffnen, am Dienstag heimlich zu Mariah Carey in die Mercedes-Benz-Arena schleichen, am Donnerstag das frisch geputzte Stiefelchen rausstellen oder am Sonntag Boy George in der Verti Music Hall sehen – von wegen „It’s Christmas time, there’s no need to be afraid“.
Man kann diesen ganzen Kitsch aber auch getrost an den zwei, drei Tagen rund um Heiligabend abfeiern und sich jetzt noch den harten Themen dieser Woche widmen. Zum einen läuft nach „Dark“ die zweite deutsche Netflix-Serie „Dogs of Berlin“ an. Es geht um ein Ermittlerpaar, das den dunklen Verbrechen der Berliner Unterwelt den Kampf ansagt. Wird sicher interessant zu schauen, welches Berlinbild da produziert oder reproduziert wird.
Zum anderen kann man aber auch echten Berliner Wirklichkeiten auf der Spur bleiben und sich beispielsweise anhören, was der Dienstleister Immobilienscout24 zur Berliner Wohnungskrise beizutragen hat. Der Slogan der Pressekonferenz „Alle suchen Wohnraum. Wir bieten Lösungswege“ lässt Schlimmes vermuten: Wahrscheinlich geht es um eine neue Bastelanleitung im Netz, wie man Immobilien erwirbt, statt sie zu mieten, ha ha.
Und schließlich kann man auch Sachlichkeit üben, indem man an der Aufarbeitung des Terroranschlags auf dem Breitscheidplatz dran bleibt. Nachdem beim letzten Untersuchungsausschuss herauskam, dass Attentäter Anis Amri einen weiteren Islamisten in seine Anschlagspläne eingeweiht haben könnte, der wiederum einen V-Mann informiert haben soll, dürfte es auch auf der nächsten Sitzung am Freitag spannend werden.
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