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Die Wochenvorschau von Claudius PrößerKleine Dinge, große Desaster

Guten Tag, wir möchten mit Ihnen über unsere Umwelt sprechen. Der geht’s ja grade nicht so gut, und es soll sogar noch schlimmer kommen, munkelt man. Zum Glück gibt es viele kleine Menschen, die viele kleine Dinge tun, wie ein altbekannter Wohlfühlspruch besagt, und das soll ja angeblich das Antlitz der Welt verändern.

Gleich am Montag wird die Berliner Gewinnerschule des „Textil Race 2025“ prämiert. Bei dem Kleiderrennen mussten SchülerInnen von zehn Schulen vier Wochen lang möglichst viele alte Klamotten, Schuhe oder Stofftiere sammeln. Mit dem Projekt unter Schirmherrschaft des Regierenden Bürgermeisters sollen die Kids sich „hautnah damit auseinandersetzen, wie wichtig Nachhaltigkeit und Recycling für Mensch und Umwelt sind“. Begleitend gab es auch noch eine Doppelstunde zum Thema. Bei Primark schaut man schon jetzt mit tiefen Sorgenfalten den künftigen Bilanzen entgegen.

Am Dienstag werden – endlich – ganz viele luxuriöse Fahrradparkplätze am Hauptbahnhof eingeweiht. Halt, wir haben die Nachricht zu schnell gelesen. Was da eröffnet wird, ist ein „Testfeld Fahrradparken“, und zwar in der Fahrradgarage für die DB-MitarbeiterInnen. Die „Infostelle Fahrradparken“ der DB InfraGO hat Hersteller von Fahrradparksystemen ihre Erzeugnisse als „erlebbaren Produktkatalog“ aufbauen lassen. Anschauen können sich das aber nur „Planungsbeteiligte von Kommunen, Verkehrsverbünden, der Bahn und anderen Bauträgern“.

Zwei Jahre lang sollen Anlehn- und Reihenbügel, Anlagen fürs Doppelstock- und Vertikalparken und „viele weitere innovative Parklösungen“ zu besichtigen sein. Gute Sache, zumal das mit dem Fahrradabstellen ja ein ganz neues Thema und Deutschland international einsamer Vorreiter ist.

Das war natürlich Ironie. Ganz im Ernst wird dagegen am Donnerstag auf dem ehemaligen Flughafen Tegel eine Versuchsanlage für „Verdunstungsbeete“ in Betrieb genommen – eine Umwelttechnik, die von der Tegel Projekt GmbH, den Berliner Wasserbetrieben, der TU Berlin und der Berliner Hochschule für Technik gemeinsam entwickelt worden ist.

Mit diesen Beeten soll es möglich sein, dass im künftigen Schumacher-Wohnquartier das komplette Regenwasser versickert oder eben verdunstet und nichts in die Kanalisation fließt – Schwammstadt, Sie wissen schon. Die Beete sollen dabei in den Straßen „kaskadenartig“ angeordnet werden und alles, was nicht evaporiert, in den Quartierspark leiten, wo es dann in Richtung Grundwasser versickern kann.

Apropos Tegel: Die Umweltkatastrophe, die der Sturm dort vor eineinhalb Wochen angerichtet hat, ist noch immer nur ansatzweise dokumentiert. „Monate“ würden die Aufräumarbeiten noch dauern, heißt es aus der Senatsverwaltung für Umwelt, die Schäden seien „verheerend“. Hoffen wir mal, dass die kleinen Dinge gegen die großen Desaster noch etwas ausrichten können.

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