Die Woche: Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?
Festlegen als Merkel-Malus, Sigmar Gabriel im Scheidungsjahr und Amazons Angriff auf die letzte Domäne der Tageszeitung.
t az: Herr Küppersbusch, was war schlecht in der vergangenen Woche?
Friedrich Küppersbusch: Liebloses Ausrollen der Legislaturperiode.
Und was wird besser in dieser?Makabrer Auftakt des Bundestagswahlkampfes 2017 durch MeckPomm.
EU-Parlamentspräsident Schulz führt in Ankara „produktive Gespräche nach Wochen der Entfremdung“. Tags drauf sagt Regierungssprecher Seibert auf Nachfrage, dass die Armenien-Resolution juristisch nicht bindend sei. Ein Kniefall vor Erdogan?
Türken und Deutsche: Zwei notorische Gewaltverbrecher spielen Massenmord-Quartett („Juden!“ – „Armenier!“ – „Kurden!“ – „Herero!“) – das hat schon was von Beziehungskomödien-Trash, wo ordentlich Porzellan zu Bruch geht. Immerhin wurde offenkundig aus der Böhmermann-Causa gelernt: Entschuldige dich erst, wenn du inoffiziell belastbar weißt, dass die Entschuldigung auch angenommen wird. Die maximal komplizierte Lage verbirgt eine relativ simple Kernfrage: Bleibt die EU eine Art wiedergeborene christliche Hanse oder wird sie sich aufschwingen, ein regionales gemeinsames Wertebündnis zu werden? Europa als Gefäß, in dem frühere Kriegsgegner zu friedlichem Gedeihen finden, wird bisher rückwärtig gedacht. Nun geht es um das Gleiche nach vorne gedacht: Kann man dem „Clash of Cultures“ ein funktionierendes Bündnis verschiedener Kulturen gegenüberstellen? Vor dieser Idee kann man knien und moralisch integer bleiben. Erdogans Problem, wenn er sich mit dieser Idee verwechselt.
Gabriel sagt, TTIP sei tot. Die USA protestieren: Den ganzen Sommer über hätten sie verhandelt und nach Lösungen gesucht. Was denn nun?
Sigmar Gabriel hat das Scheidungsjahr erreicht. Um nicht in der Groko untergepflügt zu werden wie dunnemals Steinmeier, lässt er ein Jahr vor der Wahl die Koalitionsdisziplin sausen. Und fordert mal jäh „Obergrenzen“, mal sagt er TTIP ab. Ähnlich nimmt Frankreichs Hollande den Trotzkopf-Bonus-Punkt mit, indem er das Offensichtliche ausspricht. Unter uns: Wir haben schon Freihandel. Es geht hier nicht darum, dass wir morgen den Russen heiraten statt der Amis.
50 Euro Steuern musste Apple in Irland bislang auf 1 Million Euro Gewinn zahlen. Da darf der kleine Mann doch schon mal sauer werden, oder?
Seit wann ist Wolfgang Schäuble ein kleiner Mann? Und er bewahrt ja die Fassung und applaudiert nur höflich der EU-Entscheidung. Wenn er sauer wäre, ließe er nachrechnen, wie viel von den 13 Milliarden Nachzahlung an Irland eigentlich dem deutschen Staat zustünde. Es sind ja zwei Tricks: Zahle die Steuern 1. nicht da, wo sie anfallen, und 2. lieber da, wo du sie ganz wegverhandeln kannst. Selbst die Amis reklamieren schon, von den 13 Milliarden auch was abhaben zu wollen. Kurz: Hasso, fass! Schöner Zufall: Unter TTIP/Ceta müsste Apple nachgerade Irland verklagen vorm privaten Schiedsgericht, denn Apple hat legal gehandelt, Irland seine EU-Verpflichtungen verletzt. Könnte also sein, dass Apple seine Milliarden behalten dürfte, während der irische Staat Strafe an die EU zahlte. Aus Sicht der Comedy spricht das doch für TTIP.
Dieses Jahr ertranken im Mittelmeer schon fast so viele Flüchtlinge wie im gesamten Jahr 2015. Aber kaum jemand redet darüber. Stattdessen feiern Medien das Jubiläum von Merkels „Wir schaffen das“. Wie passt das zusammen?
Merkel will für offene Arme gemocht und für geschlossene Grenzen gewählt werden. Das Ergebnis ist bisher ein „Merkel-Malus“. Der allerdings liegt weder an der einen noch der anderen Position noch an deren Widersprüchlichkeit – sondern auch an der für Merkel ungewöhnlichen Erscheinung, dass sie sich überhaupt auf Positionen festgelegt hat. Ein Jahr nach dem „wirschaffendas–Ding“ haben wir eine rekordniedrige Arbeitslosigkeit und einen rekordhohen Haushaltsüberschuss. Sprich: Nach den Ergebnissen dieser Politik müssten die Arme schnell wieder auf, damit wir noch reicher werden. Bekloppt.
Amazon startet den Dash-Button, mit dem Einkaufen jetzt noch schneller geht. Wo werden sie den ersten anbringen?
Etwas irritierend, dass fast alle Anwendungsbeispiele im Kachelparadies spielen. „Schnell mal Klopapier nachbestellen“ und so. Ich sehe das als einen Angriff auf die letzte Domäne der Tageszeitung, wenn ich da statt lesen am Knopf rumfummeln soll.
Und was machen die Borussen?
Verweigern RB Leipzig Farbe und Logo für einen gemeinsamen „Begegnungsschal“. Clubchef Watzke gibt dazu den Claim aus „Dieser Klub ist nicht meine Lieblingskonstruktion“. Bin gespannt wie es klingt, wenn die Südtribüne das skandiert. FRAGEN: AFRO
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