Die Woche: Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?
Jörg Haiders Not, seinem Ego europaweit Aufmerksamkeit zu verschaffen, mündete in die Tragik des alternden Schlagersängers, kommentiert Friedrich Küppersbusch.
W ie geht es uns, Herr Küppersbusch?
FRIEDRICH KÜPPERSBUSCH ist Journalist und Fernsehproduzent. Jede Woche wird er von der taz zum Zustand der Welt befragt.
Es sind heitere Zeiten: Ein toter Rechtspopulist, ein göttlicher Kritiker und zwei bayerische First Ladys
taz: Was war schlecht in der letzten Woche?
Friedrich Küppersbusch: Banküberfall! Die Banken überfallen die Staatskassen.
Was wird besser in dieser?
Peer Steinbrück hängt das "Reduzierte Bargeldbestände! Größere Entnahmen vorher ankündigen!"-Schild raus.
Der österreichische Rechtspopulist Jörg Haider ist bei einem Autounfall verstorben. Darf man über Tote lästern?
Als der Stuttgarter OB Rommel für die Toten der RAF gegen Parteifreunde, die sich irrtümlich für christlich hielten, den bürgerlichen Friedhof öffnete, imponierte das. Ähnlich bricht man sich keinen Zacken aus der Krone, wenn man Haider als Phänomen würdigt. Seine irrlichternde Not, seinem Kärntner-Landeshauptmanns-Ego europaweit dämonische Aufmerksamkeit zu verschaffen, mündete inzwischen in die Tragik des alternden Schlagersängers, der immer noch mal an seine ersten Hits anknüpfen wollte. Haider verstand es perfekt, mit seiner Tabuisierung zu spielen - er machte aus einer Ausladung von "Christiansen" mehr als andere aus zehn Auftritten dort. Auch deshalb muss man ihn heute nicht noch mal tabuisieren.
Marcel Reich-Ranicki hat den "Deutschen Fernsehpreis" abgelehnt. Weiser Mann?
Großer Sport, würde sonst keine Sau drüber schreiben heute. Life-time-Awards haben eh diesen chemotherapeutischen "Danach gibts aber wirklich nix mehr!"-Beigeschmack. Das kann ein lebender Mensch ablehnen. MRR wusste seit Wochen, dass und welchen Preis er da bekommen würde. Dass er erst mal zusagt und dann erst sieht, worum es geht, macht ihn endgültig zum Gottvater der Fernsehkritik. ("Erst schreiben, dann gucken.") Respekt.
Horst Seehofer ist der neue CSU-Vorsitzende und Ministerpräsident. Darf ein Fremdgeher überhaupt eine bayerische Partei führen?
Zu den bestätigten Legenden über den spirituellen Führer des weltweiten Bayerntums, Franz Josef Strauß, gehört die Geschichte, wie er schwer betrunken morgens um vier in New York ohne Brieftasche aufgegriffen wurde, die ihm in einem Bordell abhanden gekommen sein soll. Stoiber hätte mindestens ne Quittung verlangt. Den alpigen Anerkennungsraunzer "Hund sans scho" verdient Seehorst.
Wer ist denn nun die neue bayerische First Lady? Ehefrau Karin Seehofer oder Exgeliebte Anette Fröhlich?
Rotation.
Der Franzose Jean-Marie Gustave Le Clézio hat den Literaturnobelpreis erhalten. Wo hat die Akademie den ausgegraben?
Keine Ahnung, einen Teil der Literaturnobelpreise finde ich in Ordnung (Lessing, Grass, Jellinek), die andere Hälfte als Buchtipps. So auch hier.
Finnlands Expräsident Martti Ahtisaari erhält den Friedensnobelpreis. Richtig so?
Ja, Ahtisaari betreibt inzwischen ein Institut, das nachgerade als business case Aufträge zur Befriedung (Waffeneinsammeln in Nordirland) und zur Stabilisierung (Definition eines Status für Kosovo) übernimmt. Dieser Geschäftszweig braucht leider Subventionen, die Preisgeld-Mio aus Oslo ist dabei hochwillkommen. Und natürlich könnte die Welt in dieser Hinsicht ein bisschen skandinavischer ("Wohnst du noch oder vermittelst du schon?") werden.
Der Börsengang der Bahn wird schon wieder verschoben. Was ist los in dem Laden?
Vernunft. Soll nicht wieder vorkommen. Die Bahn wurde vor einem Jahr noch auf 7 Milliarden Euro geschätzt, nach Abrauchen der Kurse soeben noch auf 3. Da wir Aufbau, Erhalt und Ausbau der Bahn als Steuer- und Fahrkartenzahler dreimal finanziert haben, sollte es uns schon erfreuen, dass der Diebstahl an unserem Eigentum wenigstens auf lohnendere Zeiten verschoben wird.
Stichwort Finanzkrise: Aktien kaufen oder verkaufen?
Anders als Wertpapiere und Währungen setzt sich der Wert von Immobilien aus börsenfernen Kriterien zusammen. Ich wringe unsere Sparbücher gerade aus, um uns mit moderner Energietechnik unabhängig zu machen. Jeden Cent, den Gas und Öl teurer werden, kann ich dann künftig als meine Dividende betrachten. Nachdem die nationalen Regierungen Geld zu drucken begonnen haben, um marode Banken zu kaufen, endet auch mein Vertrauen in den Wertbestand des Sparschweins. Da bin ich deutsch.
Am Donnerstag startet in München die Luxusmesse "Millionaire Fair". Schlechter Zeitpunkt?
Noch ein, zwei Jahre Inflation und wir dürfen alle hin.
Dem Dalai Lama wurden in Bombay Gallensteine entfernt. Der 73-Jährige war bereits Ende August im Krankenhaus. Im Ernstfall: Wer soll sein Nachfolger werden?
Dieter "planieren statt sanieren" Bohlen.
Was macht eigentlich die Nationalmannschaft?
Michael Ballack hat bei seinem Tor die Zeigefinger-senkrecht-vor-dem-Mund-Geste gemacht. Sollen alle mal die Schnauze halten. Wir sind hier beim Fußball, nicht in einer Demokratie.
FRAGEN: CAK
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