@ Lieber Kollege Shefmeister,
Die Ressentiments gegenüber polnischen Einwanderern, die unlängst durch diverse britische Medien- und Politikvertreter mitgeschürt wurden, sind mir auch mehr als unangenehm aufgefallen. Daß solches Diskriminierungsgebaren mit Fair-play und rationalem Diskurs nichts zu tun hat, darin sind wir uns einig.
Der Unterschied besteht jedoch aus folgendem: Ein britischer Fußballreporter etwa ist stets damit beschäftigt, die gegnerischen Spieler dem heimischen Publikum als interessante Sportlerpersönlichkeiten vorzustellen, und höhnt nicht, wie es seine Kollegen aus der deutschen Sportredaktion des öffentlich-rechtlichen Hörfunks und Fernsehens - Waldi Hartmann bildet ja nur die Spitze des Eisberges - gerne tun, beispielsweise über, Zitatausschnitt: "die argentinischen Gauchos". Das ist Bevölkerungsverdummung und Rassismus in einem & par excellence! Gewissermaßen von oben nach unten und vice versa. Der gemeine deutsche Schäferhund mit und ohne Doktortitel hält Political Correctness bekannterweise für einen Maulkorb.
Zum zweiten: Der Protest gegen Diskriminierungen jeglicher Art ist in England, Schottland und Wales nach meiner Kenntnis lauter und mit meist pädagogisch wirkungsvolleren Konsequenzen für die der Diskriminierung Überführten verbunden als hierzulande, wie jüngst im Falle des Sir Ian Warwick Blair, der bis zu seinem Rücktritt am 2. Oktober dieses Jahres die Position des
'Commissioner of Police of the Metropolis' of the City of London bekleidete und bereits wegen der Erschießung des Brasilianers Jean Charles de Menezes durch bewaffnete Polizeikräfte der Metropolitan Police an der Stockwell tube station in London im Verlauf von Terroristenfahndungen am 22. Juli 2005 negativ in die Schlagzeilen geraten war.
Nachdem ihn Metropolitan Police Commander Shabir Hussain vor einigen Monaten einer rassistischen Personalpolitik bezichtigte, weil es für Officers mit Migrationshintergrund bisher kaum möglich war, in den sogenannten "Golden Circle" aufzusteigen, und auch Assistant Commissioner-Central Operations Tarique Ghaffar, der aus einer pakistanischen Einwandererfamilie stammt und der hochrangigste Polizeioffizier mit Migrationshintergrund im Vereinigten Königreich wurde, wegen einer möglicherweise rassistisch motivierten Ausgrenzung bei den Vorbereitungen zu den Olympischen Spielen ebenfalls Vorwürfe erhob, war Sir Ian Blair nicht länger zu halten.
In der Bundesrepublik Deutschland hätte die Politik in einem ähnlichen Fall wahrscheinlich versucht, alles unter den Teppich zu kehren, um alsbald wieder zur allseits beliebten
'Tagesordnung' überzugehen.
Es strengt ja auch schrecklich an, öffentliche Untersuchungsausschüsse einzuberufen. Da muß man sich ja unangenehme Fragen stellen lassen, die Kopfschmerzen bereiten könnten. Ja, wo kämen wir denn da hin ... ? Lieber sonnt sich die politische Oberliga, von nonkonformistischen Ausnahmen wie Christian Ströbele von den Grünen abgesehen, im Schein der deutschen Hofberichterstattung.
Der Mainstream-Journalismus in der BRD steht ja noch auf einem anderen Blatt der selbstkritischen Reflektion. Die taz mit ihrer Anbindung an die zivilgesellschaftliche Basis bildet ja nur eine von ganz wenigen kritisch-engagierten Oasen im deutschen Blätterwalt.
Mal davon abgesehen sollte man ohne Neid anerkennen, daß in Großbritannien seit der Verabschiedung des ersten Antidiskriminierungsgesetzes im Jahre 1965 schon weit mehr an Sensiblisierung und Bewußtseinsbildung in die gesellschaftliche Praxis umgesetzt worden ist als alles, was bis dato in der BRD erreicht wurde. Berlin will ja auch kein Geld für Antidiskriminierungsprojekte und staatliche Beratungsanwälte lockermachen, und die deutschen Industriekapitäne eklären in ihrer unsäglichen Borniertheit das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) vom 14. August 2006 nach wie vor für 'unnötig'.
Aus diesem traurigen Kontext heraus stimme ich Herrn Küppersbusch voll und ganz zu, wenn er die Lethargie der Bundesregierung hinsichtlich der sofortigen öffentlichen Verurteilung diskriminierender Verlautbarungen wie "Scheißnigger" kritisiert. Wenn man darüber noch lange nachdenken muß, also dann ist mit der politischen Kultur des Staatsapparates hierzulande wirklich auf längere Sicht Hopfen und Malz verloren.
Und das könnte sich meines Erachtens im Zuge der Rezession auch negativ auf die wirtschaftlichen Beziehungen und Bilanzen auswirken, denn welches afrikanische, asiatische, arabische oder lateinamerikanische Unternehmen macht schon gerne Geschäfte mit deutschen Partnern, die Rassismus nicht als solchen brandmarken, weil sie einfach zu unsensibel und grobschlächtig sind, um Diskriminierungen zu erkennen, diese Sorte von Deutschen?
Insofern würde ich der Bundesregierung vorwerfen, das intellektuelle Wohlergehen der Gesellschaft gegen die Wand zu fahren.
Würde diesem Land in dieser Situation nicht der Titel "Bundesrepublik der dummen Jungen" gut stehen?
Herzlichst,
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