Die Woche: Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?
Friedrich Küppersbusch über Andreas Baaders postumen Freispruch, die Chancen für die SPD und Frank-Walter Steinmeier als derzeitigen und künftigen Vize von Frau Merkel.
FRIEDRICH KÜPPERSBUSCH ist Journalist und Fernsehproduzent. Jede Woche wird er von der taz zum Zustand der Welt befragt.
taz: Herr Küppersbusch, was war schlecht letzte Woche?
Mit "Arcandor" lassen Manager wie Middelhoff und Eick hunderte von Kaufhäusern abrauchen.
Was wird besser in dieser?
Andreas Baader wird wegen amateurhaften Rumzündelns in einem einzigen Kaufhaus postum freigesprochen.
Die Europawahl hatte eine Wahlbeteiligung von 43,2 %. Sind Sie enttäuscht?
Wenn eh schon nur so wenige hingehen, sollte man welche aussuchen, die besser wählen können … Ich bin angenehm überrascht vom Doppelsieg der FDP. Vor ein paar Wochen bejubelten viele Blätter die 20 Umfrage-Prozent, nun haben sie das halbiert und werden für 10 Prozent noch mal als große Wahlsieger gefeiert. Das Ergebnis der SPD war immerhin exakt so schlecht, wie es erwartet wurde - da isses dann ne böse Niederlage. Es war offenkundig naiv, von den Postillionen des Neoliberalismus zu erwarten, sie überdächten ihre Positionen, nur weil sie das von den Politikern fordern jetzt.
Die Unionsparteien fühlen sich trotz der Verluste der CDU von 5,8 % aufgrund der unerwartet konstanten CSU (+0,8 %) als Gewinner der Wahl. Zu Recht?
Ja, mit diesem Wahlergebnis wäre Schwarz-Gelb durch. Und hat offenkundig Schlag bei älteren Herrschaften - diese Parteien werden von den Sowieso-Wählern gewählt. Und wenn nicht, gibts ne doppelte Rentenerhöhung, wie diese Woche, hintendrauf. Das Großplakat Merkel sah zwar aus wie dritter Platz in den offenen Fotoshop-Meisterschaften, unterstreicht aber auch: Kohl musste in die dritte Legislatur, bis die Union sich traute, so völlig argumentfrei mit nichts als ihm zu werben.
Die Sozialdemokratie hat nicht nur in Deutschland schlecht abgeschnitten. Was schlagen Sie vor, wollte man sie retten?
Der Durchmarsch der Marktradikalen in den letzten 20 Jahren fand nicht statt, weil Konservative und Liberale den gleichen Trödel verkauften wie eh. Sondern, weil - spätestens seit Blairs "New Labour" - die Sozialdemokraten sich weg von Gewerkschaften, Versorgerstaat, Tarifseeligkeit, skandinavischem "Volksheim" und deutschem "Sozialstaat", italienischer Streikokratie bewegt haben. Die Aussage "Wir machen das Gleiche wie die anderen, nur netter" ist keine. Immerhin haben sie jetzt weder Macht noch Inhalt und können erkennen, dass für die Fortschrittlichen das schiere "Weiter so" nicht reicht. Schröders "Danke, Helmut - das wars" hieß ja kaum mehr als "Nu lass mich mal ran". Die Sozialdemokratie kann Verbraucher statt Tarifjunkies, Selbstbestimmte statt Abhängige organisieren. Sie kann mit Lassalle auf den Gründer und Künder selbstbestimmter Arbeit aufbauen und sich vom Irrweg der Teilhabe am Irrsinn verabschieden. Große Chancen!
Noch irgendwelche Tipps für SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier, oder soll man einem sinkenden Schiff nicht winken ?
Eine Kampagne mit dem gefühlten Slogan "Frank-Walter muss Vizekanzlerin bleiben" wird scheitern. Das Gefühl, bestenfalls der Gegnerin Merkel zwei mäßig wirksame Assistenten wählen zu dürfen in Münte und Steini, treibt niemanden an die Urne. Der Kandidat schuldet uns eine Vision, wie er denn bitte Brandts "Mehrheit diesseits der Mitte", die ja existiert, in Politik umsetzen will. Die bisherige Antwort "Ich werde so toll Vizekanzler, dass die Linkspartei es einsieht und sich auflöst" ist nicht mal lustig. Ich werde zur Wahl gehen, wenn ich eine habe. Merkel so oder Merkel so ist keine.
17 Uiguren, die aus Guantánamo entlassen werden sollen, will anscheinend keiner haben. Nun sollen sie auf die Südseeinsel Palau abgeschoben werden. Eine gute Wahl?
Ja, da wird ein ordentlicher Schnitt vorgelegt. Palau hat rund 20.000 Einwohner, das ist so, als nähme die Bundesrepublik 68.000 Uiguren auf. Respekt.
Die Weltgesundheitsorganisation hat bezüglich der Schweinegrippe die höchste Pandemiewarnstufe ausgerufen, da sie in mehreren Teilen der Welt kontinuierlich von Mensch zu Mensch übertragen wird. Auch in Düsseldorf. Was sind Ihre Vorsichtsmaßnahmen?
Köln treu bleiben, keine Tonträger der Toten Hosen abspielen, kein Schwein ruft mich an, so was … Es ist Impfstoff vorhanden und die H1N1 verläuft ungefähr so oft tödlich wie andere Grippen auch - von 300 Erkrankten stirbt ca. einer. Wenn er nicht vorher bei Lektüre der Panikmeldungen verherzkapsert ist.
Am Freitag war Wahl im Iran. Was sagen Sie zu dem Ergebnis?
Warum sollen wir als Einzige beknackt wählen?
Und was macht eigentlich Borussia Dortmund?
Für 94 Mio bekommt man aber auch ca. 78-mal den Cottbuser Dimitar Rangelov. Einen von den 78 nehmen wir!
FRAGEN: RTH
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