Die Woche: Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?
Merkel lässt Wulff und Westerwelle aneinanderdullern, Hotte und Karl-Theodor ebenso – und Reich-Ranicki zerdengelt ein E-Book.
taz: Herr Küppersbusch, was war schlecht letzte Woche?
Friedrich Küppersbusch: Nobelkomitee ignoriert Warnungen von Jürgen Rüttgers vor Rumänen. Prompt sagt Herta Müller Lesung ab.
Was wird besser in dieser?
Alles! Na ja, wurde es vor 20 Jahren in der DDR: schöne Erinnerung.
Immer wieder "droht" angeblich ein Abbruch der Koalitionsverhandlungen. Alles Theater?
Zu Merkels Präsidialstil gehört, Wulff und Westerwelle aneinanderdullern zu lassen. Am Ende wird die FDP eine Stufensteuer erkämpft haben, die als Uldall-Modell vor 20 Jahren vom gleichnamigen CDU-Politiker entwickelt wurde. Vom Gesundheitsfonds profitieren große Versicherungen, die unrentable kleine kaufen. Und große Versicherungen hat die FDP nun auch wieder sehr lieb, also schluckt sie das. Mehr AKW-Laufzeit und weniger Atomwaffen, ja nun, gefühlte Nullsumme, die sogenannte liberale Verstrahlungskonstante. Fazit: Wenn die FDP irgendwo Aufmerksamkeit wünscht, dann beim Thema Steuergeschenke, und mit dem Image ist sie mehr als abgefunden.
Friedrich Küppersbusch ist Fernsehproduzent und wird von der taz jede Woche zum Zustand der Welt befragt.
Ebenso angeblich gibt es interne Querelen bei der CSU. Müssen wir uns langsam um Horst Seehofer Gedanken machen?
Würde ich als Merkel so sehen, ja. Erstens ist das gutes altes "Teile und herrsche!": Hier der aufstrebende Karl-Theodor, dort der olle Hotte, lass sie sich kloppen. Zweitens könnte man auch der CDU-Vorsitzenden Sanierungen und Selbstkritik für das grottenüble Wahlergebnis abverlangen - wenn bei der CSU nicht alles noch schlimmer wäre. Westerwelle soll gegenüber der CDU von "Zwei Parteien wollen Steuerreform" gesprochen und damit FDP und CSU gemeint haben. So was geht nicht ungestraft durch.
Großkoalition in Thüringen, Jamaika im Saarland, ein "rot-rot-rot-rotes" Preußen. Ist die Vielfalt nicht eine schöne, laborartige Wettbewerbssituation?
In Thüringen und an der Saar wird der Wählerauftrag verweigert. Die CDU in Erfurt wurde abgewählt, die Grünen in Saarbrücken hatten Müller zu verhindern versprochen. Diese beiden Bündnisse sind Mikadokoalitionen: Hauptsache, es bewegt sich nix. Die vier 80er-Jahre, die nun im Bund vor uns liegen, würden mir nur erträglich, wenn das eben der Preis für eine sich reformierende, schlagkräftige Opposition wäre. Nun haben SPD und Grüne nach der Wahl auch noch die Opposition verloren. Bei jedem Mumpitz aus Berlin wird es aus Erfurt und von der Saar Hemmungen geben, die Bundesregierung anzugreifen. Wowereit und Platzeck, übernächste Autobahnausfahrt Länderfusion, das wäre eine historische Tat.
Das Comeback des Kasinokapitalismus: Grund zur Sorge?
War der mal kurz draußen kotzen? Überfressen? Das Magna-Opel-Ding wackelt, die Banken lallen wegen Trunkenheit an Steuern, die angekündigten Massenentlassungen kann man kaum noch nachhalten: Ohne Krise müsste die Wirtschaft jetzt mal langsam liefern. Stattdessen haben die Jungs die Kasse geplündert und jetzt wieder Appetit. Grundgesetz Artikel 14 Absatz 2: "Eigentum verpflichtet", und zwar nicht nur zur Teilnahme bei "Anne Will", sondern "sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen". So gesehen ist es viel cooler, bei der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft Verfassungsfeind zu sein als nur altpopelig bei der RAF oder so.
Sollte es einen islamischen Feiertag für alle Deutschen geben?
Wir sind ein säkulares Land, und wenn man mag, kann man das vor Einreise rauskriegen. Mir geht der Zugriff der Kirchen in Schule, Steuereintreibung, Forschung und Lehre und auch Kalenderfragen jetzt schon zu weit. Nix gegen ein paar schicke Feiertage, wir begingen hier gerade 20 Jahre Pokalsieg in Berlin. Weitere kirchliche, egal welcher Religion, brauche ich nicht.
Hat die Buchmesse Sie schon aufhorchen lassen?
Nee, wieso?
Apropos "Buch"messe. Schon mal über die Anschaffung eines E-Books nachgedacht?
Ich werde oft beschenkt und öfter bemustert, diese Stapel bekomme ich schon nicht vom Kopfende geräumt. Gibt es in diesen E-Books kleine Grafikprogramme, die Eselsohren, Unterstreichungen und Kaffeeringe machen? Und: Wann zerdengelt Reich-Ranicki auf dem Spiegel-Titel ein E-Book? An Grass Omme? Das hätte was von The Who.
Nach der abgeschlossenen Qualifikation: Eine erste Prognose für die Fußball-WM?
Sportfreunde Stiller werden nochmal remixen, und sie werden das diesmal früher tun als letztes Mal. Reimvorschlag: "Wann wir es endlich packen, man wird sehn … vielleicht dann 2014 …" Ja nun. Die Jungs gehen da noch mal drüber.
Und wie stehts um die Borussen?
Normal reicht mir Bayern und Schalke schlagen und nicht absteigen. Tja nun. Das Saisonziel "hochwertiges Unentschieden gegen Hannover" ist ja noch drin. Ausgerechnet die hundertste und die mit einigermaßen guten Rahmenbedingungen, also ausgerechnet diese Saison so, ja. So sind wir.
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