Die Woche: Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?
Das Entwicklungsministerium verschenkt nichts und die Kirchen nutzen doch noch zu was.
taz: Herr Küppersbusch, was war schlecht letzte Woche?
Friedrich Küppersbusch: Das würde die Regional-taz Haiti jetzt so nicht fragen. Immerhin schön makaber, dass über die "vierte Welt" geredet wird, wenn sie mal untergeht.
Friedrich Küppersbusch ist Fernsehproduzent und wird von der taz jede Woche zum Zustand der Welt befragt.
Und was wird besser in dieser?
"Das Entwicklungsministerium ist kein Weltsozialamt", dröhnt Dirk Niebel, besser bekannt als erster Beauftragter zum Schutz der Reichen vor den Armen.
Die CDU ist im Richtungsstreit und rennt nun sogar vor den Konservativen davon. Stattdessen will sie die verlorenen Schafe von FDP, SPD und Grünen wieder in ihre Mitte holen. Warum sollten die zurückwollen?
Wer illustrieren mag, dass der Fortschritt eine Schnecke sei, der betrachte: Die CDU ist nicht mehr, wie Adenauers Partei gescholten wurde, ein Kanzlerwahlverein. Sondern, holla, ein Kanzlerinwahlverein. Merkel war Thälmann-Pionier und FDJ-Funktionärin, als ihre Vorgänger allerhand programmatische Kritik in Grund und Boden ignorierten. Ein Weichensteller wie Barzel, der die CDU auf die Ostverträge brachte, wurde nie etwas Regierungsamtliches; der Gottvater der Marktwirtschaft, Ludwig Erhard, hatte in der eigenen Partei wenig Rückhalt. Kurz: So schwach wie Kohl, der seinem gerissenen Sozialchristen Geißler eine neue CDU in Arbeit gab, ist Merkel nie gewesen. Die Merkel-Union ist wieder eine "Auf die Kanzlerin kommt es an"-Partei, und der Rest ist das Management von regionalen, wirtschaftlichen, religiösen und ähnlichen druckvollen Lobbyinteressen. Es gibt keinen Richtungsstreit in der Merkel-CDU, denn Merkel hat keine Richtung außer Merkel.
30 Jahre Grüne, zehn Jahre Globalisierungskritiker Attac. Wer ist mehr in Merkels Mitte angekommen?
Die Grünen haben es geschafft, von der Pubertät nahtlos in die Midlife-Crisis zu schliddern. Die Maximalliberalität, zugleich mit Peter Müller und Gregor Gysi, Westerwelle und Gabriel koalieren zu wollen, verweist auf die Wurzeln aus CDU und verzagten Maoisten, folkloristischem Bauer-Springmann-Trachtenhemd und "Ich kenne keine Parteien, ich kenne nur noch Schily" - Otto. Unter Fischer waren sie kusch, und nun kuschen sie und wissen nicht, vor wem. Für eine Entkuschung der Grünen! Eine Grüne Partei klassischer Spannweite erübrigte Linken den Kauf von allerhand West-Sektenquatsch und Ost-Erblasten. Und Liberalen wie Leutheusser-Schnarrenberg wären sie Asylland Nr. 1. - Attac trägt dem Rechnung und vermeidet die Parteiwerdung so wie die Beengung aufs Nationale.
Und was machen die Linken?
Zerfleischen und bewerfen einander mit Dreck. Macht unterm Strich seit 20 Jahren stetig sacht steigende Wahlergebnisse.
Bischöfin und EKD-Vorsitzende Margot Käßmann setzt sich für den Frieden ein. Ist die evangelische Kirche in Deutschland doch zu was gut?
Ja, sie bekommt auf die Nase für Äußerungen, die die katholische Kirche seit Monaten genauso und völlig unskandaliert tut: Immerhin und zum besonders erbaulichen Beispiel - der Militärbischof Mixa weist darauf hin, dass es sich nicht mehr um einen "Stabilisierungseinsatz" handelt und damit Bundestagsbeschluss und UN-Mandat gebrochen werden. Jeder Kriegseinsatz sei von Übel und eine "Niederlage der Menschheit". Es ist auch blanke Eifersucht im Spiel, dass die Sachzwangneurotiker aus den Parteien Käßmann die Freiheit neiden, die sie sich nimmt.
Google spielt den Werteretter und droht mit einem Rückzug aus dem Riesenmarkt China. Weltmacht gegen Weltmacht?
Der Nutzung der Google-Dienste in China und damit auch den betreffenden Erlösen des Unternehmens wird das wenig Abbruch tun. Das ist technisch kaum möglich. Internetheilsprediger werden nicht gleichzeitig loben können, das Netz erlaube keine abgeschotteten Inseln mehr auf der Welt - und Google sei besonders lieb, weil es die Insel China abschotte. Erhabener Mumpitz.
Am 20. Januar ist US-Präsident Obama ein Jahr im Amt. Ihr Zwischenzeugnis?
Der gestalterische Teil der Legislatur ist rum, und da hat er einen Zeitplan für den Abzug aus Afghanistan hinbekommen und ein Samenkorn einer fairen Krankenversicherung. Letzteres ist mehr, als alle Präsidenten seit 100 Jahren in dem Fach geschafft haben. Der amerikanisch-chinesische Klimakompromiss "Lieber Geld als Welt", an dem Kopenhagen scheiterte, und die Kriegspredigt beim Friedensnobelpreis sind bitter. Wenn das sein Programm ist, die zweite Legislatur zu erreichen, in der er dann ohne Rücksicht auf Wiederwahlen die Sau rauslässt - okay. Es ist nicht gut, nur alle anderen waren schlimmer.
Der Prozess gegen den Waffenhändler Karlheinz Schreiber beginnt am Montag. Höchste Zeit, und was kommt raus?
Überraschend wäre die Wahrheit.
Und was machen die Borussen?
Klicken den ganzen Tag auf www.beste-fans.de/Dortmund, nachdem vorübergehend der klinisch fanfreie sogenannte Verein Leverkusen auf Platz 1 war. Es gibt Momente, da müssen Männer handeln.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rechtspopulistinnen in Europa
Rechts, weiblich, erfolgreich
Wirkung der Russlandsanktionen
Der Rubel rollt abwärts
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Rauchverbot in der Europäischen Union
Die EU qualmt weiter
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Greenpeace-Mitarbeiter über Aufrüstung
„Das 2-Prozent-Ziel ist willkürlich gesetzt“