Die Woche: Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?

Japan erlebt einen NGAAU, Merkel kann sich trotzdem nicht irren und Seehofer hat unverdientes Glück.

taz: Herr Küppersbusch, was war schlecht letzte Woche?

Friedrich Küppersbusch: Och, nix. Erdachse um 10 Zentimeter verschoben, Japans Hauptinsel um 2,4 Meter und für "mehrere größte anzunehmende Unfälle auf einmal" fehlt lexikalisch ein Wort. (NGAAU - "noch größerer als anzunehmender Unfall")

Was wird besser in dieser?

Die taz spendiert eine Gratisseite für alle Unterzeichner der Lobby-Anzeige, die im August 2010 für unbegrenzte Laufzeiten von Schrottmeilern und weniger Atomsteuer warben. RWE, Vattenfall, EnBW und EON, Manfred Bissinger und Olli Bierhoff wollen sich nach guter japanischer Sitte öffentlich entschuldigen ("GAU-Kotau").

Bundeskanzlerin Merkel erklärte, nach dem Mehrfach-GAU in Japan könne "man nicht zur Tagesordnung übergehen". Schwingt da Bedauern mit?

Merkel steht da mit der "smoking gun" noch in der Hand. Und nun bleibt ihr nur ein unglaubwürdiges "Pirouette sich, wer kann": Ja zum Ausstieg, dann Ausstieg aus dem Ausstieg, und nun muss sie einen Ausstieg aus dem Ausstieg aus dem Ausstieg finden. Die Laufzeiten sind verlängert, die Atomabgabe ist geschleift. Und in diesem historischen Moment, in dem sich die Exumweltministerin als Atomfan festgelegt hat, erfolgt der naturwissenschaftliche Gegenbeweis. Grüne in BaWü doch mit satten 30 Prozent, Umweltminister Röttgen als sicherer Wahlverlierer in NRW und gute Karten für die SPD des atomkritischen Exumweltministers Gabriel. Zur Grundausstattung des Naturwissenschaftlers gehört der Satz "Ich habe mich geirrt" - der eine Satz, den Merkel nicht kann.

Mit der Sprachregelung, man wolle "alle deutschen Atomreaktoren überprüfen lassen", werden Besorgnisse der Bevölkerung aufgenommen und zugleich Weichen gestellt zum Klassiker "Das hätte bei uns so nicht passieren können". Vernünftige Reaktion?

Tschernobyl hätte in Japan auch nicht passieren können. Isses aber doch, nur schlimmer. Die Strategie, dass die japanische Regierung Jodtabletten verteilt, die anderen Valium, wird scheitern. Japan galt vor 30 Jahren noch als der Guttenberg unter den Industrienationen: klauen, nachbasteln, verramschen. Heute ist es die führende Hightech-Adresse mit dem weltgrößten Automobilhersteller und einem regelrecht religiösen Technologiekult. Und gescheitert. Die Definition, was eine zukunftsweisende Naturwissenschaft sei, wird großen Respekt vor dem Know-how Japans beim Bau erdbebensicherer Gebäude bringen - das hat Menschenleben gerettet. Natürlich prismiert sich jetzt unsere Hilflosigkeit und unser ohnmächtiges Mitgefühl auf einen bekämpfbaren Feind wie Atomenergie - Bürgerinitiativen gegen Tsunamis machen keinen Sinn. Die Natur hält sich nicht damit auf, uns nur die Aufgaben zu stellen, die wir auch lösen können.

FRIEDRICH KÜPPERSBUSCH ist Journalist und Fernsehproduzent. Jede Woche wird er von der taz zum Zustand der Welt befragt.

Der Große Zapfenstreich für Karl-Theodor zu Guttenberg - ein gelungener Abgang?

Für den morbiden Bezug, den die Zeile "Smoke on the water, fire in the sky" jetzt hat, kann selbst Guttenberg nix. Macht nix, der war auch ohne die Tsunamiassoziation schon von irritierender Geschmacklosigkeit: Will er damit Kampfszenen aus Kundus illustrieren? Popmusiker können sich jetzt bei jedem Song fragen: Ist der scheiße genug, dass er nie von einem Bundeswehrorchester zu Ehren eines Schmierlapps gespielt werden wird? Dann isser gut.

Host Seehofer verkündet beim politischen Aschermittwoch, er plane eine Änderung der Bayerischen Verfassung. Migranten sollen sich per Gesetz zur deutschen Sprache bekennen. Die Koalition plant strengere Vorschriften im Ausländerrecht. Was will sie damit beweisen?

Seehofer hat unverdientes Glück, dass seine Formulierung, er werde sich gegen "Einwanderung in unsere Sozialsysteme sträuben bis zur letzten Patrone", skandalfrei durchging. Ein NPD-Funktionär wäre wegen solcher Mordanstiftung verhaftet worden. Hoffe ich, sogar für Bayern.

Bei der Diskussion um den Agrokraftstoff E10 wollen die Eigenverantwortungsprediger von der FDP plötzlich, dass der Bürger vom Staat besser informiert wird. Was ist passiert?

Die FDP hat zwei Mantras: "weniger Staat" und "mehr Staat". Was gut läuft, wird privatisiert, was schlecht läuft, soll der Staat richten. Wahlniederlagen der Liberalen werden so endlich verstehbar: Nicht sie haben versagt, sondern der Staat, der die anderen Parteien nicht verboten hat.

Und was machen die Borussen?

Jupp Schmiedeskamp, das Orakel vom Borsigplatz und der weise Seher, der uns hier die korrekten Saisonergebnisse weissagt, ist Opa geworden. Herzlichen Glückwunsch! Auch zu der mutigen Wahl, die Enkelin trotz allem nicht auf den Namen "Jürgen Klopp" zu taufen.

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