Die Williams-Schwestern bei den US Open: Die letzten ihrer Generation
Wer hätte das gedacht: Ausgerechnet die oft demonstrativ desinteressierten Williams-Sisters Venus und Serena sind wieder einmal die großen Favoritinnen bei den US Open.
Kleine Zeitreise gefällig? Wir schreiben das Jahr 1998. Im Halbfinale der US Open besiegt die 22 Jahre alte Lindsay Davenport, Gardemaß 1,89, die vier Jahre jüngere und vier Zentimeter kleinere Venus Williams. Im Endspiel holt sich Davenport wenig später den ersten von drei Grand-Slam-Titeln mit einem Sieg gegen Martina Hingis, den jugendlichen Star des Frauentennis.
Die Tennisfans in den USA frohlocken; sie feiern die amerikanische Siegerin, sie sind gespannt auf den weiteren Weg der jungen Williams mit den endlos langen Beinen und fast noch mehr auf die Entwicklung der 15 Monate jüngeren Schwester Serena, die bei diesem Turnier ihr Debüt in New York gegeben hat. Die Leute sind zwar noch nicht ganz bereit, Richard Williams, dem Vater der Schwestern, zu glauben, der seit Jahren vollmundig prophezeit, seine Töchtern würden alsbald die Besten des Frauentennis sein. Aber sie ahnen, dass dieser unkonventionelle Typ mit seiner Einschätzung nicht ganz daneben liegt.
Was in den Jahren danach passierte, ist bekannt; der steile Aufstieg der Schwestern in den Olymp des Tennis, vom Vater hundertfach mit selbst geschossenen Fotos dokumentiert, eine fast fünf Jahre dauernde Phase großer Dominanz, aber danach Verletzungen, nachlassendes Interesse am Tennis, Hinwendung zu fast allem, was bunt und schillernd ist.
Hätte man damals gefragt, was Venus und Serena Williams wohl im Spätsommer 2008 vorhaben würden, hätte man Serena, der explosiven kleinen Schwester, eine Zukunft als Hauptdarstellerin einer Seifenoper im Fernsehen vorhergesagt und Venus die Rolle als Chefin einer eigenen Firma für Design.
Aber - Überraschung, Überraschung - die Schwestern spielen immer noch, sie sind längst wieder die Besten ihres Landes, und sie haben nicht vor, das dicke Album ihrer glänzenden Karrieren zuzuklappen. Ganz im Gegenteil. Mit einem Sieg bei den US Open könnte Serena zum ersten Mal seit fünf Jahren wieder an die Spitze der Weltrangliste zurückkehren - im Moment steht sie hinter den Serbinnen Ana Ivanovic und Jelena Jankovic auf Position drei. Venus macht auf Platz acht Zwischenstation, aber das neue Ziel ist in Sicht. Zur Frage, ob sie vorhätten, demnächst wieder beide an der Spitze der Rangliste zu stehen, meinte Venus dieser Tage: "Das ist der Plan. Ich glaube allerdings nicht, dass sich eine von uns beiden mit Platz zwei zufrieden geben wird".
Nun hat vor allem Serena in all den Jahren schon mancherlei exotische Gebilde und Szenarien entworfen, aber im Moment sieht es ganz danach aus, als strebten die Schwestern ganz konkret ihrem zweiten oder dritten Frühling entgegen. Diejenigen, die zur gleichen Generation wie sie gehören, sind dagegen nicht mehr da. Martina Hingis nicht, Kim Clijsters nicht, die inzwischen Ehefrau und Mutter ist, und auch Justine Henin nicht, die im vergangenen Jahr den Titel in New York gewonnen hatte.
Venus und Serena, diese bemerkenswerten Geschöpfe, spielen dagegen weiter, als sei nichts geschehen, und angesichts der Wankelform der Konkurrenz steht es um die Chancen nicht schlecht, dass eine der beiden zum ersten Mal nach sechs Jahren in New York wieder im Finale landen könnte. Beide, so wie Anfang Juli in Wimbledon, als Venus den Titel im Finale gegen Serena gewann, werden es nicht sein: Das Duell der Schwestern fände diesmal bereits im Viertelfinale statt.
Aber gerade die jüngsten Erfahrungen lehren, dass die Dinge im Tennis selten der Logik folgen. Auch beim Olympischen Tennisturnier galten die Schwestern als favorisiert, aber dann schieden sie kurz nacheinander im Viertelfinale aus, Serena gegen die spätere Gewinnerin der Goldmedaille, Jelena Dementjewa, Venus gegen die Chinesin Li Na. Denn das hat sich geändert im Vergleich zur Zeit der großen Dominanz zu Beginn dieses Jahrzehnts: Sie gewinnen zwar wieder wie einst im Mai, aber sie verlieren auch Spiele, die sie früher nicht verloren hätten.
Aber wie auch immer, das amerikanische Tennis kann von Glück sagen, dass es die beiden noch gibt. Denn die dritte Amerikanerin in der Weltrangliste ist Baby Jonathan Jaggers Mutter Lindsay Davenport, die im Spätherbst ihrer Karriere auf Platz 24 steht. Und danach folgt Bethanie Mattek, bisher in erster Linie für ihre schrille Aufmachung bekannt, auf Nummer 44. Was persönlich betrachtet kein schlechter Erfolg ist, im Großen und Ganzen den Anspruch des amerikanischen Tennis aber kaum erfüllt. Wer mag da schon an die Zeit nach Venus und Serena Williams denken.
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