Die Wahrheit: Seid umschlungen, Milliarden!

Mit dem Geld eines Milliardärs kann man 1.000 Millionäre durchfüttern. Warum nur sind die sympathischen Oligarchen trotzdem oft so scheu?

Illustration: Stephan Rürup

Wenn sie beschwipst in den Swimmingpool fallen, können sie ganze Volkswirtschaften mit sich reißen. Manche sagen sogar, sie seien das Himalaja-Salz der Erde: Milliardäre! In diesen Tagen machen sie auch wieder tüchtig von sich reden. Einen Milliardärsreport haben zum Beispiel soeben die Schweizer Großbank UBS und die Unternehmensberatung PWC vorgelegt, beide unbestrittene, um nicht zu sagen unbestechliche Kenner der Materie. Ihrem Report ist zu entnehmen, dass selbst für die Superreichen die vergoldeten Trauben nicht mehr in den diamantbesetzten Himmel wachsen.

Erstmals seit fünf Jahren nämlich hat sich das weltweite Vermögen der Milliardäre verringert. In Deutschland schrumpfte ihr Vermögen um 78 Milliarden auf rund 500 Milliarden Dollar, ihre Zahl von 123 auf 114. Das macht zwar im Schnitt immer noch knapp 4,4 Milliarden für jeden; aber hey, endlich haben wir kleinen Leute auch mal einen kleinen Grund zur Schadenfreude, ja ein Ventil für unseren Sozialneid!

Doch was sind das eigentlich für Typen, diese Milliardäre? Diejenigen von ihnen, die uns täglich in den Medien begegnen, sind in der Regel tolle Typen – mit Herz und Visionen! Ihnen neiden wir ihren Reichtum nur selten, weil sie uns die Infrastruktur für unsere täglichen Verrichtungen bereitstellen (Computer, Internet) oder in unseren Medien für den kulturindustriell notwendigen Content sorgen (Fußballspieler, Schauspieler, Musiker).

Unter den 2.101 Milliardären auf diesem Planeten (Vorjahreszahl: 2.158) gibt es allerdings auch andere, viele andere, die nicht ins Rampenlicht drängen. Es sind die im Dunkeln, die man nicht sieht: die Schüchternen und Unauffälligen, Zartbesaiteten und Empfindsamen. Sie leben zurückgezogen, möchten nicht erkannt und keinesfalls angesprochen werden – schon gar nicht mit vollem Namen, gezückter Waffe und Bitte um zügige Herausgabe ihrer Barschaft! Darum legen sie so viel Wert auf weitgehende Anonymität. Es gibt keine Fotos von ihnen, niemand weiß, wo sie wohnen, nicht einmal ihre Namen kennt man richtig.

Der Geist der Privatsphäre

Einer, der bei der Wahrung seiner Privatsphäre nicht immer erfolgreich war, ist der alle paar Jahre durch die Schlagzeilen geisternde Milliardär August von Fick (Name von der Redaktion geändert). Der 89-Jährige, der seit 1999 in der Schweiz wohnt, gilt dem Spiegel als „scheu“, der Münchner Abendzeitung als „extrem scheu“ und dem Schweizer Internetportal Bilanz.ch, das von der Sorte wohl noch andere kennt, als „zurückhaltend, ja fast als scheu“. Genutzt hat es ihm jedoch nicht viel: Sein Name ist in der Welt! Und Fotos gibt es auch.

Das ist möglicherweise unangenehm für von Fick, weil er im Verdacht steht, der AfD verdeckte Wahlkampfspenden zugeschoben zu haben, und sich wegen seiner zurückhaltenden Persönlichkeit nun gegen die Vorwürfe nicht zur Wehr setzen kann. Wir vom Wahrheit-Reportageteam möchten den Geldsack selber zu diesem Themenkomplex befragen, aber das ist schwierig bei einem derart scheuen Zeitgenossen. Er geht nicht ans Telefon, reagiert nicht auf Mails, blockiert uns irgendwann sogar auf Facebook.

Doch wir lassen nicht locker. Über seine Helfershelfer, den Chefredakteur des Deutschland-Kuriers, dem von Fick über dunkle Kanäle einige Millionen zur Wahlwerbung für die AfD spendiert haben soll, und seinen Bevollmächtigten, der diesen Geldtransfer wohl einfädelte, finden wir heraus, wie wir uns über einen toten Briefkasten mit dem Milliardär in Verbindung setzen können. Extrem genervt stimmt von Fick irgendwann einem Treffen zu, um „ein paar Sachen richtigzustellen“, wie er uns mit einem Kassiber in einer Zigarrenschachtel mitteilt.

So stehen wir zwei Wochen später vor von Ficks Geheimvilla im Reichenviertel von Zürich. Der Butler, der uns empfängt, diktiert die Regeln: Wir dürfen nicht direkt mit ihm reden, aber auch nicht über elektronische Geräte, wegen der Abhörgefahr. Das Gespräch findet deshalb über ein Dosentelefon statt.

Und der Mann ist wirklich scheu! Als wir den getäfelten Saal mit dem kilometerlangen Tisch betreten, an dessen anderem Ende August von Fick sitzt, sehen wir gleich, dass er rot wird – trotz der Sonnenbrille. Ja, die müssen wir tragen, das gehört zu den Regeln. Wir stellen unsere erste Frage: „Sie empfangen uns hier mitten im Züricher Reichenviertel. Ist das nicht wahnsinnig gefährlich?“

Seine Stimme klingt durch die Dose brüchig und blechern: „Nein, hier wohnen nur Millionäre. Wir richtig Reichen wohnen an Orten, wo man uns nicht vermutet. Hier bin ich also sicher.“ – „Warum scheuen Sie die Öffentlichkeit so?“ – „Ich möchte einfach in Ruhe mein Geld vermehren“, kommt es wie aus der Pistole geschossen. „Außerdem ist da diese Angst vor Attentaten, vor Entführungen oder, schlimmer noch: ständig angepumpt zu werden!“

Wir werden knallrot, schieben unsere Portemonnaies zurück, haken kritisch nach: „Wieso wollen Sie immer mehr Geld? Sie haben doch alles!“

Der Oligarch mit Putzplan

„Reichtum ist mehr als nur Geld“, schnarrt der Oligarch. „Mir gehören zum Beispiel Immobilien, große Teile der Münchner Innenstadt. Viele begüterte Münchner sind direkt von mir abhängig, auch Politiker, die ich per Putzplan gerne dazu verdonnere, sonntags das Treppenhaus zu wischen. Das klingt doch interessanter als eine dritte oder vierte Yacht, nicht?“

Wir nicken andächtig. Und die Sache mit der AfD? „Nun ja, mein Eigentum ermöglicht mir eben ein starkes Engagement in Sachen Demokratie. Also: dagegen!“

Warum aber, fragen wir empört, ist der Strafverfolgungsdruck so gering in dieser Affäre? Von Fick beginnt herzlich zu lachen. Wir stimmen sofort ein. Dann stellt der alte Mann, wie versprochen, ein paar Sachen klar, was jedoch off the record bleiben muss.

Als wir uns eine Stunde später mit klingelnden Ohren von von Fick verabschieden, haben wir viel gelernt. Vor allem dies: Mit viel Geld kommt große Macht, und mit großer Macht kommt große Verantwortung. Es ist zum Beispiel kein Problem, für 100.000 Euro jemanden zu finden, der jemand anderen um die Ecke bringt; geschweige denn für eine Million – was viele einfache Millionäre bereits finanziell in Bedrängnis bringt. Anders gesagt: Sich mit einem Milliardär anzulegen, ist so riskant, wie sich mit 1.000 Millionären anzulegen, und bei Milliardären ist es viel wahrscheinlicher, dass sich ein Verrückter darunter befindet.

Seien wir also froh, dass ein scheuer und verantwortungsbewusster Milliardär wie von Fick lediglich eine rechtsradikale, stellenweise neonazistische Partei mit brutal sozialdarwinistischer Agenda unterstützt, statt gründlich unter Journalisten, Gewerkschaftern und Linken aufzuräumen. Die Mittel dazu hätte er ja!

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