Die Wahrheit: Frischer Fisch auf dem Tisch
Jägerlatein, Angelschein: Dank eines findigen Computer-Programms purzeln seit einiger Zeit die Rekorde, was den Fischfang angeht.
A ngler lügen. Mit der Erfindung von Photoshop haben sie ein Werkzeug, mit dem sie ihre Lügen untermauern. Die Brüder Thomas und John Knoll, die Photoshop 1988 erfunden haben, sollen begeisterte Freizeitangler sein.
Kaum war ihre Erfindung auf dem Markt, da stieg die Zahl der Fotos von glücklichen Anglern mit Riesenfischen schlagartig an. Der Maurer Nigel Ludbrook präsentierte stolz einen gut 31 Kilogramm schweren Karpfen. Es war angeblich der größte Karpfen, der jemals im Vereinigten Königreich gefangen worden war. Ludbrook zog „Captain Jack“, wie er den Fisch taufte, aus dem Wasser, wog ihn, fotografierte ihn und warf ihn zurück ins Meer.
„Captain Jack“ war laut Ludbrook 200 Gramm schwerer als der bisherige Rekordhalter, „The Parrot“, der voriges Jahr an Altersschwäche gestorben ist, weil der Angler Brian Humphries ihn nicht aufgegessen, sondern ihn als Rekordbeweis sechs Jahre lang in der Badewanne aufbewahrt hatte.
Unser Nachbar Mikey ist auch angelnder Maurer, aber im Gegensatz zu Ludbrook hat er keine Rekordambitionen. Einmal brachte er einen stattlichen Wolfsbarsch mit und legte ihn in die Küchenspüle. Als wir das Tier für den Ofen vorbereiten wollten, schnappte es nach uns. Da mussten wir uns natürlich wehren. So frisch kommt selten ein Fisch auf den Tisch.
Der alte Mann und der Kabeljau
Der Engländer Bert Williams kämpfte hingegen 20 Minuten lang mit einem Kabeljau, bis er ihn endlich im Boot hatte. Das ist bewundernswert, denn Williams ist herzkrank, und das britische Rekordtier soll 42 Kilo gewogen haben. Auch Herzkranke können offenbar mit Photoshop umgehen. Williams wird seitdem respektvoll mit „Codfather“ begrüßt.
Selbst der winzige dreistachelige Stichling, der normalerweise bis zu acht Gramm auf die Waage bringt, kann mit Photoshop zum Monster aufgebauscht werden. Ein Craig Birchall stellte mit einem 10,6 Gramm schweren Stichling einen britischen Rekord auf.
Das ambitionierteste Projekt stammt aber von dem englischen Gastwirt Kevin Gardner. Er hat sich einen knapp 600 Kilo schweren Marlin gephotoshopt, den er nach dreistündigem Kampf aus dem Atlantik bei Ascension Island geholt haben will. Angeblich der größte Fisch, der jemals von einem Briten gefangen wurde. Gardner ließ die Speernase nach Hause fliegen und servierte sie portionsweise seinen Gästen, so dass niemand den Rekord überprüfen konnte.
Manchmal rächen sich Fische an Anglern. Ein 28-Jähriger aus Bournemouth hatte eine 17 Zentimeter lange Seezunge gefangen und hielt sie stolz in die Luft. In dem Augenblick flutschte das nasse Tier aus seinen Händen und stürzte sich in die Anglerkehle, so dass die Atemwege blockiert waren. Es kam zum Herzstillstand, aber im Krankenhaus konnten die Ärzte die Seezunge wiederbeleben. Der Angler hingegen war tot.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Kampf gegen die Klimakrise
Eine Hoffnung, die nicht glitzert
Altersgrenze für Führerschein
Testosteron und PS
Angeblich zu „woke“ Videospiele
Gamer:innen gegen Gendergaga
Haldenwang über Wechsel in die Politik
„Ich habe mir nichts vorzuwerfen“
Zweite Woche der UN-Klimakonferenz
Habeck wirbt für den weltweiten Ausbau des Emissionshandels