Die Wahrheit: Arschbombe ins Nichts
In einem Fachgeschäft für Geisterbahnbedarf gibt es allerlei Herrliches zu kaufen. Aber das beste und für das Dasein wichtigste Produkt ist eine Falltür.
I n Niedersachsen gibt es ein Fachgeschäft für Geisterbahnbedarf und darin die herrlichsten Dinge. Mein ganzes Erspartes könnte ich dort verprassen! Zum Beispiel für ein Fallbeil. Oder zwei – an gut gemachten Fallbeilen sollte man nicht geizen.
Auch fein: ein „Knochenfriedhof-Türvorhang“, „Verweste Autopsie-Beine 1 Paar“ oder eine „geheimnisvolle Hand“, aber geheimnislos ginge sonst auch. Interesse hätte ich ferner an „Draculas Gruft“, obwohl mir die etwas aus der Zeit gefallen zu sein scheint, „Helmut Kohls Gruft“ oder „Jörg Meuthens Gruft“ gefielen mir noch besser. Großartig sind auch Wackelbrücken. Eine Wackelbrücke zwischen meiner Haustür und der Welt würde mein Leben versüßen.
Mein liebstes Geisterbahnprodukt ist jedoch die „Falltür ins Nichts“. Wie gern wandelte ich mit meiner Falltür ins Nichts unter dem Arm durch die Welt. Andere reisen nach Sylt oder Formentera, ich durch die Falltür ins Nichts. „Liebster“, würde ich meinen Mann fragen, „wollen wir übers Wochenende nach London oder durch die Falltür ins Nichts?“
Dieses Kunststoffding ist die ideale Auszeit vom Alltag, das perfekte Kleinmobiliar, das jeder Bürger sein eigen nennen sollte, auch ohne Geisterbahn. Und das für 19,90 Euro! Da kann man nicht Nein sagen, nur Anlauf nehmen und hindurchsegeln wie Alice durch den Kaninchenbau, sich der unerträglichen Schwere des Daseins entledigen. 19,90 Euro, billiger kann man es durch saufen oder Autogenes Training auch nicht haben.
Nach ein paar Stunden kehrt man dann wieder heim. Wie das geht, das muss ich allerdings noch herausfinden. Gibt es einen Weg zurück zum Beispiel per angeknoteter Strickleiter? Wenn nicht, auch gut, dann hat die Falltür ins Nichts jedenfalls das Zeug zur neuen beliebtesten Todesart der Deutschen. „Viel zu früh ging sie von uns, durch die Falltür ins Nichts“, höre ich die Grabredner schon raunen.
Besser nur als eine Falltür ins Nichts wären lediglich drei Falltüren ins Nichts. Oder zehn, wenn ich die alle ins Auto kriegen könnte; neun für den Privatgebrauch, die zehnte aber würde ich vor der Bundesgeschäftsstelle der FDP in Berlin platzieren. Dann würde ich mich im nahen Buschwerk verstecken und abwarten, was passiert. Ob Christian Lindner hindurch fiele? Aber der fällt ja gern mal mit der Abbruchtür ins Koalitionshaus.
Leider kann ich die Falltür nicht kaufen. Bedauerlicherweise braucht man dafür eine spezielle Schaustellerkarte. Nicht mal gebraucht gibt es sie zu erwerben, nicht einmal bei Ebay. Ich könnte mir höchstens selber eine zimmern. Aber was, wenn dabei irgendetwas schiefläuft und das Ding am Ende nicht hundertpro funktioniert? Erwartungsvoll springt man hindurch – und findet sich plötzlich in den endlosen Weiten Niedersachsens wieder, in der Hölle oder gar der eigenen Kindheit.
Lieber nicht. Mit der Entledigung des Daseins muss ich wohl noch eine Weile warten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Scholz und Pistorius
Journalismus oder Pferdewette?
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind