Die Wahrheit: Lego auf dem Land
Ein Blick in die Verkaufszahlen deutscher Magazine offenbart Erstaunliches: Thermomix-Magazine schmieren ab, Lego-News liegen im Trend.
D as 21. Jahrhundert wird bald volljährig. Die 18 verspricht es jedenfalls unwiderruflich vom 1. Januar an. Erwarten wir etwa etwas davon? Nichts natürlich. Dennoch möchte man einer Parole von Hanns Dieter Hüsch gehorchen: „Kapitulation ja, Resignation nie. Optimismus ungern, Zuversicht immer.“
Jede Menge Zuversicht immerhin weckt eine Neuigkeit aus den Verkaufszahlen von Zeitschriften und Magazinen. Bekanntlich floriert seit einigen Jahren das Segment derjenigen Postillen, die das niedlich Ländliche verherrlichen, was, wie und wo immer es sein mag. Nun haben drei von ihnen im dritten Quartal massig verloren: Landlust um 20,7 Prozent, Mein schönes Land 24,7 Prozent, Land Idee 14,3 Prozent.
Hat das Konzept der Urbanität also weite Räume zurückerobert? Obwohl in den Großstädten die Mietkosten in astronomische Höhen wachsen? Gerade deswegen? Etliche Wermutstropfen trüben den Eindruck, die buntscheckige Sozietät namens Deutschland würde erwachsener, vernünftiger werden. Erstens: Die Zeitschrift Liebes Land. Die beste Art zu leben springt um 52,7 Prozent aufwärts.
Rätselhaft zudem und wie ein Indiz, dass ich in einer anderen Galaxie lebe als viele Mitmenschen, erscheint mir auch der Triumph zweier Magazine, die sich dem Lego-Spielzeug widmen, wie ich meedia.de entnahm: Lego Ninjago belegt mit einem Plus von 40.046 Exemplaren in den beiden wichtigen Kategorien Platz zwei der Aufsteiger-Tabelle, Lego Nexo Knights Rang sechs.
Mich verdatterte obendrein die Liste der Flops. Offenbar ignoriere ich Trends und Gegentrends in manchen Milieus, zumindest die Fakten: Auf Platz zehn jener Liste firmiert ein Magazin namens Mixx – Küchenspaß mit dem Thermomix: „Es büßte satte 47,6 Prozent ein.“ Ähnlich geht es dem Konkurrenten mein ZauberTopf.
Dass unter den ersten zehn der meistverkauften Blätter acht TV-Zeitschriften verzeichnet sind, wundert mich irgendwie. Wahrscheinlich, weil mein TV gar nicht angeschlossen ist, ich nur manchmal streame oder eine Mediathek nutze. Hunderttausende benötigen wohl das Programm auf Papier. Unnötig dennoch zu sagen, dass insgesamt die Verkaufszahlen gedruckter Publikationen fast nur sinken, sinken, sinken.
Statt aber nun weiter Zahlen, Zahlen, Zahlen zu deuten, schließe ich mich zum Ende der einstigen Kriegsreporterin Silke Burmester an, die einmal ihre Kolumne mit der Aufforderung eröffnete: „Ich habe für diesen Bericht Musik bestellt, bitte fahr die jetzt ab, ich singe dann.“
Ich bestelle zum Jahreswechsel ein „Lunchpaket“, den Song von Funny van Dannen: „Manche meinen, man solle leben, als wär’s der letzte Tag / Das klingt nach Intensivstation, na ja, wer so was mag / Dabei würde ich mich nicht mal einen Optimisten nennen / Aber Pessimismus, Baby, muss man sich leisten können.“ Heute, so heißt es irgendwo anders, ist der erste Tag vom Rest Ihres Lebens.
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