Die Wahrheit: Maori-Gandhi-Tag
Neues aus Neuseeland: Auch in Down Under wird der Guy-Fawkes-Tag gefeiert. Dabei gebe es doch Wichtigeres zu bejubeln als einen Terroristen.
W er an diesem Sonntag nach Neuseeland kommt, glaubt, es sei Silvester: Überall wird geböllert, dass es nur so kracht, denn es ist Guy-Fawkes-Nacht. Das alljährliche Feuerwerk am 5. November findet zu Ehren eines Terroristen statt, der im Jahre 1605 das britische House of Lords abfackeln wollte. Seitdem hat er einen Platz im Kalender, auch in den Kolonien. Warum, hat jahrhundertelang niemand in Frage gestellt. Denn mit Neuseelands ureigener Geschichte hat das herzlich wenig zu tun. Deshalb fordern immer mehr Kiwis: Wandelt das Raketenfest lieber in einen Feiertag um – und zwar für Parihaka.
Parihaka ist ein kleiner Ort im Westen der Nordinsel, im Schatten des schneebedeckten Mount Taranaki. Eigentlich sollte die ganze Welt diesen Namen kennen. So wie Stalingrad für Krieg steht, steht Parihaka für Frieden. Oder Frieden als Antwort auf Krieg. Denn am 5. November 1881 marschierten rund 1.600 bewaffnete Polizisten und ihre Helfer in das Dorf ein, in dem 2.000 Maori lebten. Sie vergewaltigten Frauen, verwüsteten Behausungen. Zuvor hatte man den Stammeshäuptling Te Whiti O Rongomai unter Druck gesetzt, sich mit der Konfiszierung von 150.000 Hektar Land abzufinden.
Doch Te Whiti wollte nicht weichen. Aber statt zu kämpfen, stellte er sich mit seinen Mannen der Staatsmacht friedlich entgegen. Das war revolutionär – der erste gewaltfreie Protest weltweit. Die Maori-Kinder boten den Kolonialisten sogar Brot an und sangen tapfer Lieder, während die Täter in Parihaka wüteten. Te Whiti und sein Kompagnon wurden verhaftet und ohne einen Prozess auf die Südinsel verbannt. Andere Männer wurden eingekerkert und leisteten schwerste Sträflingsarbeit. Die Mauern, die sie bauten, stehen noch immer.
Mahatma Gandhi hat der passive Widerstand in Parihaka nachweislich inspiriert. Strenggenommen stand damit nicht er, sondern das rebellische Maori-Dorf Pate für alle Sit-ins mit Gesang in Wackersdorf und die Montagsdemos vor dem Fall der Mauer. Aber weiß man das in Aotearoa, das bisher immer für seine kämpferischen Maori-Krieger bekannt war? Bis auf vereinzelte Gedenkfeiern, ein paar Bücher und Dokumentarfilme gibt es nichts, was offiziell an die antimilitaristischen Helden erinnert. Der alte Inder Gandhi steht sogar als Statue im Bahnhof der Hauptstadt Wellington. Häuptling Te Whiti O Rongomai aber nirgendwo.
Das wird sich ändern. Die Bewegung, den Guy-Fawkes-Tag zum Parihaka-Tag zu machen, nimmt jedes Jahr zu. Und vor ein paar Monaten gab es eine offizielle Entschuldigung des Staates im Namen der Queen für das Unrecht, das den Menschen in Parihaka damals angetan wurde.
Es flossen viele Tränen, denn für Maori sind die Urahnen immer präsent – ob 50 oder 500 Jahre später. Neun Millionen Dollar an Entschädigung werden an Te Whitis Nachfahren ausgezahlt. Davon kann man eine ganze Menge Böller kaufen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!