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Die WahrheitDer fliegende Robert

Kolumne
von Bernhard Becker

Der AfD-Mann Robert Farle hat eine bewegte Vergangenheit und ist vom linken an den rechten Rand der Gesellschaft gewandert.

N ach der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt stieß ich auf den Namen meines alten Schulkameraden Robert Farle, von dem ich schon jahrelang nichts mehr gehört hatte, der aber einst eine kleine Berühmtheit in unserem Ruhrgebietsraum war.

Bereits am Tag meiner Aufnahmeprüfung zum Gymnasium brannte sich Robert mir unvergesslich ins Gedächtnis, nicht nur, weil er neben mir ziemlich viel Platz einnahm, sondern auch, weil er sein Radiergummi sorgfältig in Druckbuchstaben mit „Farle“ beschriftet hatte. Er landete dann gottlob in der Parallelklasse und wurde mir nur von Zeit zu Zeit von meinem Vater als angeblich vorbildlicher Schüler und Messdiener vorgehalten. Das ging so lange gut, bis er mit dem Gitarrespielen anfing. Bei vielen war er jedoch aus einem anderen Grund unten durch.

1968 wurde auch die Essener Provinz von der damaligen Bewegung eingeholt, und Anführer des lokalen „Aktionszentrums unabhängiger Schüler“ (AUS) war natürlich Robert, zumal er erklären konnte, warum man sich nicht wie die anderen „AUSS“ genannt hatte: Man wisse halt noch nicht genau, was „sozialistisch“ sei. Das änderte sich dann offenbar später, als er während seines Studiums Leiter der DKP-Hochschulgruppe Bochum wurde.

An der biederen Alfred-Krupp-Schule in Essen beschränkte man sich noch auf allgemein gehaltene Pamphlete, das Verlesen der Mao-Bibel auf dem Schulhof und einen lustigen Marsch zur Befreiung und Aufklärung der Schülerinnen einer benachbarten Klosterschule. Die Wahl des Schülersprechers ging schließlich für Roberts Leute krachend verloren, da der Kandidat aus unserer Klasse rechtzeitig daran gedacht hatte, die Klassensprecher der Unter- und Mittelstufe auf seine Seite zu ziehen. Es folgte noch ein unvergesslich schönes Schuljahr: Wir hatten die einst gefürchtete Schulleitung vor den „Linken“ schlottern sehen und konnten nun tun und lassen, was wir wollten.

Jahre später wurde ich selbst Lehrer an dieser Schule und erfuhr, dass der rote Robert für die DKP in Gladbeck kandidierte und dort sogar zum Fraktionsvorsitzenden aufstieg. Im Jahr 1989 ging der DKP dann jedoch irgendwie das Geld aus, und Robert zog es als Steuerberater nach Halle an der Saale. Als Vorstandsvorsitzender des Seesportclubs Seeburg e. V. konnte er nun das „Petri Heil“ einüben, bevor er zum wahrhaft „Großen Sprung“ ansetzte: Er trat in die Alternative für Deutschland ein, wurde per Kampfabstimmung zum Schriftführer gewählt, danach prompt Landtagskandidat und gewann im März sogar ein Direktmandat für die AfD.

Als jemand, der es zum Kummer seiner Eltern nicht einmal vom Taxifahrer bis zum Vizekanzler gebracht hat, sondern dreißig Jahre als nie beförderter Studienrat vertändelte, möchte ich ihm darum herzlich gratulieren zu dieser Karriere vom deutschen Kommunisten zum deutschen Populisten, dem egal ist, ob er links oder rechts ist: Vielleicht hätte ich ja ebenfalls meinen Radiergummi in Blockbuchstaben beschriften sollen.

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